Lieber Börsianer, 

es ist ein Krimi. Gestern hat die britische Premierministerin Theresa May noch bis tief in die Nacht mit dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, verhandelt. Und jetzt haben die britischen Volksvertreter das Wort. Bis Donnerstag wird das britische Unterhaus bis zu dreimal abstimmen. Am Ende dieser Woche werden wir also wissen, wohin die Reise gehen wird.  

Das ist der Abstimmungsplan: 

Heute: Man entscheidet über den May-Juncker-Deal. Stimmen die Parlamentarier mehrheitlich mit Ja, bedarf es keiner weiteren Abstimmung. Am 29. März verlässt dann Großbritannien planmäßig die EU. Bis 2020 werden Brüssel und London noch ein detailreiches Handelsabkommen verhandeln.  

In diesem Fall würde der DAX und auch andere europäische Indizes spontan durch die Decke gehen. Dieses Szenario, also der weiche und schnelle Brexit, ist eher unwahrscheinlich.  

Mittwoch: Das Unterhaus wird nun über einen harten Brexit abstimmen. Stimmt die Parlamentarier hier mit Ja, verlässt Großbritannien die EU am 29. März ohne flankierende Vereinbarungen. Dann greifen die Zollregeln der Welthandelsorganisation, also je nach Produkt Zölle zwischen 3,5 und 10 %. Eine Handelsvereinbarung können beide Seiten natürlich jederzeit nachträglich abschließen.  

Hier würde der DAX spürbar nachgeben. Kurzfristig ist das Szenario des harten Brexit mit großen Unsicherheiten behaftet. Glücklicherweise ist dieses Szenario gegenwärtig am unwahrscheinlichsten. Denn eigentlich will bis auf wenige Ausnahmen niemand den harten und unverhandelten Brexit.  

Gleichwohl können kurzfristig in London politische Dynamiken entstehen, die am Ende gefährlich werden können. So werden sich vermutlich selbst gemäßigte Brexiteers für einen harten Brexit aussprechen, sobald diese Gruppe das Gefühl hat, der Brexit als Ganzes könnte dauerhaft verschoben werden.  

Donnerstag: Wenn die britischen Abgeordneten des Unterhauses bis hierin keiner der vorgenannten Lösungen zugestimmt haben, müssen sie nochmals an die Urnen. Am Donnerstag wird dann darüber abgestimmt, ob die Regierung erneut Verhandlungen mit der EU suchen soll. In diesem Fall wird Großbritannien am 29. März die EU noch nicht verlassen. Die Nachverhandlungen werden sich dann voraussichtlich bis in den Frühsommer hinziehen.  

In diesem Fall wird der DAX nicht spürbar reagieren. Die Brexit-Problematik wäre für uns für einige Wochen vom Tisch. Andere Faktoren werden dann den Markt beeinflussen. Im Hintergrund freilich wird eine Verschiebung des Brexit eher schaden. Denn die Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals haben dann immer noch keine solide Basis für Entscheidungen über Investitionen, Strategie etc.  

Seien Sie wachsam, lieber Börsianer! In dieser Woche der Wahrheit werden wir möglicherweise in Europa weitreichende Weichenstellungen erleben. Im Börse am Mittag erfahren Sie dann, wie Sie als Anleger optimal von der neuen Situation profitieren.