Lieber Börsianer, 

mittlerweile wird bald in allen Kontinenten rund um den Finanzdienstleister Wirecard und den Kursabsturz der Aktie ermittelt. Nun gehen an der Wall Street Gerüchte um, dass die US-Börsenaufsicht SEC ebenfalls Untersuchungen in dieser Causa anstellen wird.  

Dabei haben die Ermittlungen der Behörden zwei Dimensionen: In Singapur ermittelt man wohl eher gegen das Unternehmen wegen des Verdachts der Bilanzfälschung. In Deutschland hingegen befürchtet die Bafin, dass der Kurs der Wirecard-Aktie durch die Lancierung falscher Informationen manipuliert worden ist.  

Es ist eigentlich mittlerweile ganz egal, wie der Fall ausgehen wird. Fest steht jetzt schon, der Aktionär ist der Dumme. Das beweisen die Performance-Zahlen der Aktie. Allein auf Wochensicht knickte die Aktie erneut prozentual zweistellig ein und beendete damit eine kleine Zwischenerholung. In den letzten 3 Monaten verlor die Aktie um fast 20 %, während der starke DAX rund 10 % hinzugewann.  

Das tut weh: Alle feiern die neue Hausse und die Wirecard-Aktionäre schauen in die Röhre. 

Aber das muss nicht sein. Ich möchte jetzt hier nicht den Oberlehrer machen, der es natürlich im Rückblick besonders genau weiß.  

Kursmanipulation: Diese Aktien sind latent in Gefahr 

Es gibt allerdings gewisse Geschäftsmodelle und Unternehmen, die für solche Vorgänge, wie sie Wirecard gerade erlebt, besonders anfällig sind. Einige Beispiele: 

Aurelius Equity: Völlig intransparent war etwa der Aufkauf der dänischen Danfoss Compressors (heute Secop).2010/11 erwarb Aurelius das dänische Unternehmen für einen einstelligen Millionenbetrag. Wenig später taucht es in der Aurelius-Bilanz mit einem Wert von 256 Millionen Euro auf. Hier gilt: Das Aurelius-Geschäftsmodell bietet generell einen gewissen bilanziellen Gestaltungsspielraum. Daneben ist das Geschäftsmodell intransparent. Vor allem die Zahlen der ausländischen und nichtbörsennotierten Töchter lassen sich selbst für Profis eigentlich nicht ermitteln. Das Geschäftsmodell verlangt also viel Vertrauen in die Geschäftsführung.  

ProSieben: Das ist eigentlich ein cleveres Vorgehen. ProSieben beteiligt sich regelmäßig an Startup-Unternehmen aus dem E-Commerce-Bereich. Mittlerweile verfügt man über ein recht ansehnliches Portfolio, wie z.B. Verivox, billiger-mietwagen.de, parship.de usw.  

ProSieben bezahlt den Erwerb dieser Beteiligungen allerdings nicht mit Geld, sondern Werbeminuten. Also: ProSieben erwirbt einen Anteil an dem Startup und schaltet anschließend Werbung für das Produkt des Unternehmens. Als Unternehmer bin ich begeistert von dieser kapitalschonenden Strategie. Als Buchhalter freilich rollt es mir die Zehennägel auf.  

Hier bestimmt also praktisch der Preis der Werbeminute den Kaufpreis der Beteiligung. Anders gesprochen: Setze ich den Preis für die Werbeminute hoch an, habe ich plötzlich einen ganz anderen Übernahmepreis, einen anderen Goodwill, andere Abschreibungen etc. Auch hier gilt: Der Finanzvorstand hat hier gewissen Spielraum. Wir setzen darauf, dass er diesen Spielraum nie unseriös ausnutzen wird.  

Ich möchte den hier genannten Unternehmen nichts unterstellen. Die Anschuldigungen gegen die Unternehmensführung der Wirecard sind bis heute unbewiesen. Gleichwohl rate ich der Unternehmensführung, künftig für besondere Offenheit und Transparenz in allen Bilanzfragen zu sorgen. Ferner rate ich, bestehende Spielräume in der Bilanzlegung nicht auszunutzen, auch wenn darüber einmal die Quartalszahlen leiden mögen.