Lieber Börsianer,

morgen wird sich London erheben. Vielleicht bis zu 1 Millionen Briten und andere Europäer werden für ein zweites Brexit-Referendum auf die Straßen der Metropole ziehen. Damit werden wir eine der größten Kundgebungen der britischen Geschichte erleben. Die Frage ist freilich, ob diese Demonstration das Blatt noch wenden kann. 

Denn Brüssel macht jetzt Druck und will die Brexit-Thematik spätestens im Mai, also vor den anstehenden Europa-Wahlen (23.-26. Mai) vom Tisch haben. Der Zusammenhang ist offensichtlich: Eine Teilnahme der Briten an dieser Wahl erscheint wenig sinnvoll.  

Welche Termine müssen wir nun als Investor im Kopf haben? Der Brexit wurde in dieser Woche nun auf den 22. Mai verschoben. Allerdings unter der Voraussetzung, dass das britische Unterhaus in der kommenden Woche dem May-Plan, also einem verhandelten Brexit, zustimmt. Geschieht dies nicht, muss Großbritannien – Stand heute – ohne Abkommen aus der EU aussteigen, und zwar bereits am 12. April.  

Meine Prognose: Ich gehe eher davon aus, dass das Unterhaus das May-Abkommen erneut ablehnen wird. Anschließend wird die Premierministerin Theresa May zurücktreten, da sie eben den weichen Brexit nicht mehr schaffen wird. Die 27 EU-Staaten werden auf diese Entwicklung wahrscheinlich mit einer nochmaligen Verschiebung des Brexit reagieren, da die Hoffnung besteht, dass ein neuer Premier das politische Patt in London auflösen wird.  

Wie gesagt: Das ist meine Prognose, das ist meine Hoffnung. Diese Hoffnung kann enttäuscht werden. Deshalb werde ich sicherlich in den kommenden Tagen keine europäische Aktie anfassen. 

US-Fed überrascht mit geldpolitischer Wende – Bayer erleidet Schlappe vor US-Gericht 

Zu allem Überfluss vollzieht die US-Notenbank Fed in dieser schwierigen Situation ganz offenbar eine halbwegs massive geldpolitische Wende. Die noch im Dezember 2018 avisierten Zinserhöhungen sollen ausfallen. Ferner erwägt man, die Reduzierung der Fed-Bilanz im Oktober diesen Jahres zu stoppen. Zur Erinnerung: Die Fed entzieht dem Geldmarkt gegenwärtig rund 30 Milliarden US-Dollar pro Monat.   

Nun freuen sich Aktionäre allgemeinhin über eine lockere Geldpolitik. Diesmal ist der Sachverhalt allerdings differenzierter. Denn die Fed begründet ihren geldpolitischen Schwenk mit globalen Konjunktursorgen. Und solche Sorgen sind natürlich kein Kurstreiber. 

Folglich verlor der DAX in dieser Woche rund 1,6 %. Immerhin die Anhänger des gelben Metalls kamen auf ihre Kosten. So zog der Goldpreis um knapp 1 % an, während Silber sogar fast 2 % zulegte.  

Im DAX belasteten wieder einmal die bekannten Problemkinder wie Wirecard und Bayer. Die Wirecard-Aktie verlor satte 12 % und konnte sich nur knapp über der Marke von 100 Euro behaupten. Der Unternehmensführung gelingt es einfach nicht, die im Raum stehenden Vorwürfe nachhaltig zu entkräften.  

Die Bayer-Aktie wiederum testet nun das letzte Jahrestief von knapp unter 60 Euro. Zuvor hatte ein Gericht in San Francisco (Edwin Hardeman gegen Monsanto) einstimmig befunden, dass der Unkrautvernichter

Glyphosat zumindest zur Krebserkrankung des Klägers Hardeman beigetragen habe. Das Verfahren findet in einer eher niedrigen Instanz statt, und Bayer kann hier noch zahlreiche Rechtsmittel ausschöpfen.  

Dennoch: Guter Rat für die Bayer-Aktionäre ist jetzt sehr teuer.  

Lassen Sie mich differenzieren: Wenn Sie sehr langfristig planen, können Sie an der Bayer-Aktie festhalten und den Kursrutsch aussitzen. Andernfalls sollten Sie einen Verkauf der Aktie in Erwägung ziehen. Denn gegen Bayer/Monsanto sind in den USA nach meiner Zählung rund 9.000 Klagen anhängig. Es kann also im Extremfall viele Jahre dauern, bis diese Problematik abschließend abgearbeitet worden ist.   

Zum Abschluss: Ich möchte Sie jetzt nicht mit Depressionen ins Wochenende schicken. Ich erinnere also daran: Börse ist ein Tagesgeschäft. Dieser Marktbericht ist eine Momentaufnahme. Möglicherweise sieht unsere Börsenwelt am nächsten Freitag wieder viel besser aus.