Lieber Börsianer,
das war nicht freundlich. Im vergangenen Jahr kündigte Walt Disney ziemlich überraschend die Zusammenarbeit mit dem TV-Video-Dienst Netflix auf. Das war ein herber Schlag für das bisher so erfolgsverwöhnte US-Unternehmen.
Denn Disney ist einer der großen Inhaltelieferanten im Medienmarkt. Besonders bekannt ist die Disney-Marke für ihre familienfreundlichen Animationsfilme. Titel wie „Der König der Löwen“ oder „Die Eiskönigin“ waren nicht nur in den Kinos, sondern auch auf der Netflix-Plattform große Verkaufsschlager. Auch die berühmte „Star-Wars-Reihe“ wird nun im Netflix-Angebot fehlen.
Die Strategen bei Disney kannten die weiche Flanke des Konkurrenten genau. Denn Netflix punktet besonders bei Familien. Experten schätzen, dass 60 % der abgerufenen Inhalte in die Sparte der sog. Familien-Filme fallen. Also genau in den Bereich, in dem Walt Disney als Filmstudio besonders stark ist. Dann erhöhte Netflix auch noch die Preise für das monatliche Abo.
Genau in dieser Situation schickte die Disney-Führung die Kündigung an Netflix. Jetzt steht der Streaming-Dienst ziemlich nackt da. Das Angebot besonders bei der familien-freundlichen Filmkost ist plötzlich ziemlich dünn, dafür ist man allerdings teurer geworden. Das mag der Kunde nicht.
Walt Disney greift Netflix jetzt frontal an
Mittlerweile haben wir die Hintergründe dieser Attacke verstanden. Disney plant einen eigenen Video-Dienst, der in besonderem Maße auf Familien zugeschnitten sein wird. In einem zweiten Schritt wird man wahrscheinlich seinen Anteil an der Video-Plattform Hulu von 30 auf 70 % ausbauen. Hulu ist gegenwärtig nur in den USA online und sicherlich kurzfristig noch kein echter Gegner für das globale Netflix-Angebot.
Trotzdem: Der Herausforderer Disney hat alles, um Netflix mittelfristig in diesem Markt sehr zu schaden. Man verfügt logischerweise über Inhalte, über die Technologie (via Hulu) und vor allem über Finanzkraft.
2018 erwirtschaftete Disney einen freien Cashflow von fast 10 Milliarden US-Dollar. Diese Kennzahl hingegen ist bei Netflix negativ. Mit anderen Worten: Das US-Unternehmen schwimmt nicht gerade in Liquidität.
Hinzukommt, dass Netflix zurzeit rund 5 Milliarden US-Dollar pro Jahr aufwenden muss, um eigene Inhalte, die sog. Netflix-Originals, zu produzieren. Denn natürlich beherrscht die Technik des Streamings mittlerweile jedes Unternehmen. Ein Video im Echtzeit-Download ist heutzutage wirklich nichts mehr Besonderes.
Mit anderen Worten: Die Unternehmen der Branche unterscheiden sich eigentlich nur noch durch ihre exklusiven Inhalte. Netflix braucht also immer wieder neue Filme oder neue Serien, um Neukunden zu gewinnen. Das ist nicht billig.
Bislang erscheint mir Disney in diesem Gigantenkampf leicht im Vorteil, da man den Gegner unerwartet getroffen hat. Netflix wird allerdings zweifellos demnächst eine Gegenangriff reiten, um den Aufbau der Disney-Plattformen möglichst gleich am Anfang zu torpedieren.
Klar ist nur: Netflix kann nicht einfach mit noch mehr Kapitalaufwand kontern. Es muss ein wirklich intelligentes Konzept her. Wird man sich eventuell verbünden, etwa mit Amazon? Ein weiterer interessanter Partner wäre übrigens Apple. Hier will man unter der Marke Apple TV+ das bisherige Angebot (iTunes) deutlich ausbauen. Apple wiederum wäre selbstverständlich auch für Disney ein Partner, den man bestimmt nicht verschmähen würde.
Ich verspreche Ihnen: 2019 wird in dieser Branche richtig heiß. Hier prallen Giganten der Medien- und Internetbranche aufeinander. Es geht darum, wer sich das größere Stück aus dem milliardenschweren Streaming-Markt nehmen wird. Es geht darum, ob der bisherige Marktführer Netflix den Angriffen standhält. Oder wird die Netflix-Festung jetzt von Disney geschliffen?