Lieber Börsianer, 

was ist Ihre Lieblingsaktie? Welchem Titel halten Sie unbedingt die Treue und gehen quasi mit ihm durch dick und dünn? Hier verzeihen Sie auch einmal schlechte Nachrichten, weil Sie von dem Unternehmen wirklich überzeugt sind. Das Phänomen der Lieblingsaktie kann auch gleich für eine ganze Branche gelten. So schworen viele Privatanleger vor einigen Jahren auf Unternehmen aus der Edelmetall-Branche. In fester Erwartung eines Euro-Untergangs wurde diese Branche für viele Privatanleger zum bevorzugten Ort der Investition. 

Typisch für eine solche Situation ist, dass wir die Nachrichtenlage dann nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen. Schlechte Nachrichten zu unserer Lieblingsaktie blenden wir aus. Gute Nachrichten hingegen bewerten wir in ihrer Bedeutung für die Kursentwicklung über. 

Mehr noch: Oftmals bilden wir in unseren Lieblingsaktien deutliche Übergewichtungen in unseren Depots, weil wir hier gerne mehrfach kaufen. Plötzlich steht Ihre Lieblingsaktie dann für 10 oder 20 % Ihres Gesamtdepots. 

Aber wie entsteht eigentlich so eine Lieblingsaktie in unserem Depot? In aller Regel steht am Anfang zunächst eine starke Performance. Folglich mögen wir diese Aktie, weil sie uns eben zunächst viel Rendite beschert hat. Am besten können wir die Produkte unseres Lieblingsunternehmens im Alltag auch noch erfahren und quasi anfassen. 

Tatsächlich schätzten in der Vergangenheit viele deutsche Privatanleger die Aktien von BMW oder Daimler, weil sie privat ein entsprechendes Auto fuhren. Studien haben diesen Zusammenhang mehrfach belegt. 

Investieren Sie nicht in der Branche, in der Sie arbeiten 

Für die Entstehung einer Lieblingsaktie oder einer Lieblingsbranche ist auch oft unser ausgeübter Beruf von Relevanz. So habe ich jahrelang in meinen Depots Bank-Aktien übergewichtet, weil ich ein Kind der Branche bin. Hier fühlte ich mich wohl, hier kaufte ich gerne. Richtig clever war diese Übergewichtung freilich nicht, wie die Performance vieler Bank-Aktien im Rückblick zeigt. Ich habe Zeit gebraucht, um diesen Wirkfaktor zu verstehen und schließlich abzuschalten.   

Ein ähnliches Beispiel: Ein Ingenieur im Maschinenbau wird mit großer Wahrscheinlichkeit sein Depot erheblich mit Aktien dieser Branche befüllen. Er liebt die Arbeit, die er tut. Er mag die Produkte, mit denen er arbeitet. Folglich liebt er auch Maschinenbau-Aktien. Bei der nächsten Krise in der Branche wird sein Depot zwangsläufig in den Keller rauschen. Im Extremfall wird der Mann sogar seinen Job verlieren. Damit hat sich in diesem Fall ein sogenanntes Klumpenrisiko realisiert.   

Hier gilt eine eherne Börsenregel: Investieren Sie nicht oder nur sehr vorsichtig in der Branche, in der Sie auch arbeiten. Diese Regel gilt selbstverständlich für Angestellte wie auch Selbständige gleichermaßen. 

Sie sehen also: Es ist gefährlich, wenn unsere Gefühle uns die Sinne vernebeln. Hier sind für Sie am Ende Verluste vorprogrammiert. Deshalb meine Empfehlung: Lieben Sie Ihre Frau, Ihre Kinder, Ihre Enkel und von mir aus auch Ihren Hund! Aktien hingegen analysieren Sie sachlich und vernünftig. 

Glauben Sie mir, wenn Sie in Ihrem Depot Ihre Lieblingsaktie und Ihre „heiligen Kühe“ abgeschafft haben, werden Sie als Anleger noch erfolgreicher.