Lieber Börsianer, 

im Grundsatz war das Börsenjahr 2019 für uns sehr erfreulich. Vor allem die US-Märkte zogen mächtig an und markierten erst kürzlich neue Rekordstände. Auch der DAX war nicht schwach und legte in den vergangenen 6 Monaten knapp über 10 % zu.  

Trotzdem sind die Investoren nicht wirklich euphorisch. Viele haben das Bauchgefühl, dieses Jahr wird uns nicht mehr viel positive Wertentwicklung erwarten. Und in der Tat, ungeachtet der jüngsten Rekordstände in den USA verliert die Hausse derzeit von Woche zu Woche an Breite. Im Kern sind es eigentlich nur vier Aktien, die in den vergangenen Monaten den breiten Markt (S&P 500) wirklich gezogen haben. Das sind: Microsoft, Amazon, Apple und Facebook.  

Allein diese 4 Aktien sorgten für fast 20 % der gesamten Marktperformance. Als Börsianer wissen Sie, dass eine Hausse dann besonders gesund ist, wenn sie auf ganz vielen Schultern steht. Also bezogen auf den S&P 500: Am besten steigen alle 500 Aktien und nicht nur die 4 Marktschwergewichte.  

Auffällig ist vor allem, dass typische konservative Qualitätstitel schon länger nicht mehr wirklich mitgehen. In den USA fallen mir da spontan etwa Pfizer, AbbVie oder Berkshire Hathaway ein.  

Wie lange können Microsoft und Co den Markt noch tragen? 

Es ist offensichtlich, sobald die vorgenannten 4 Leuchtturm-Unternehmen einmal wackeln, ist die laufende US-Hausse in Gefahr. Und tatsächlich ist im Tech-Segment gegenwärtig nicht alles Gold, was glänzt. So versagten im vergangenen Quartal Netflix und SAP, also ebenfalls zwei Leuchttürme.   

Die grausamen Zahlen bei Netflix waren dabei wahrscheinlich eher ein Einzelschicksal. Das Unternehmen hatte zuvor die Preise teils spürbar angehoben. Gleichzeitig drosselte man aus Kostengründen die Produktion neuer Inhalte. Nun, weniger Qualität bei gleichzeitig steigenden Preisen, das war keine gute Strategie. So gewann das Unternehmen im zweiten Quartal weltweit nur 2,3 Millionen Neukunden hinzu und blieb massiv unter der eigenen Prognose von 5 Millionen Neukunden.  

SAP hingegen ist weniger ein Einzelschicksal. Der Software-Riese leidet aufgrund des grassierenden Fachkräftemangels unter steigenden Personalkosten. Hier werden nach starken Kursanstiegen der Aktie die aktienkurs-basierten Gehaltsbestandteile zum Problem. Gleichzeitig sollen über 4.000 Mitarbeiter intern versetzt werden bzw. in den vorgezogenen Ruhestand eintreten. SAP hat dafür ein Abfindungsprogramm für 1.200 ältere Mitarbeiter aufgelegt. Offenbar hat man das Programm recht großzügig ausgestaltet, sodass nun über 1.800 Mitarbeiter gehen möchten. Das wird zu Mehrkosten in Höhe von 200 Millionen Euro führen.  

Wie gesagt, steigende Personalkosten und Fachkräftemangel sind nicht ein Problem für SAP. Alle Unternehmen der Zukunftsbranchen wie Internet oder Software kämpfen damit gegenwärtig. Das sorgt natürlich nicht gleich morgen für Gewinnrückgänge. Personalmangel wirkt allerdings immer als Wachstumsbremse. Da stellen sich die Investoren natürlich die Frage, ob dann stramme Bewertungen weit jenseits des KGV-Faktors 20, wie wir sie bei SAP, Facebook und besonders bei Amazon vorfinden, noch gerechtfertigt sind.  

Bei SAP haben sich die Investoren bereits entschieden und in der vergangenen Woche erst einmal richtig Kasse gemacht. 8 % oder über 10 Milliarden Euro verlor der deutsche Software-Titel.  

Ich bin also kurzfristig eher Pessimist und rechne im Sommer zunächst nicht mit weiteren Kursanstiegen weder an den US-Märkten noch in Europa. Sinnvoll wäre durchaus eine Korrekturphase im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Das bringt niemanden um, schafft allerdings eine gute Basis für eine knackige Jahresendrally.  

Fazit: Verzichten Sie in den nächsten Wochen zunächst auf größere Anschaffungen! Interessant freilich können punktuelle Einstiege bei Titeln aus der Tech-Branche sein, die ihre Korrektur bereits weitgehend abgeschlossen haben. So bin ich am Freitag in die chinesische Google eingestiegen. Dieses faszinierende Unternehmen lernen Sie jetzt in der aktuellen Juli-Ausgabe meines Börsendienstes RENDITE TELEGRAMM kennen.