Lieber Börsianer, 

wie empfinden Sie eigentlich die gegenwärtige Situation an der Börse? Sind Sie zufrieden?  

Derzeit beobachte ich besonders in den USA ein ziemlich verrücktes Phänomen. Dort erleben wir eine Hausse, die niemand im Depot spürt. Also die Hausse, die gar keine ist. Wie geht das denn? 

Einige Zahlen zum US-Index S&P 500: Dieser Index ist im laufenden Jahr bereits um knapp 20 % gestiegen. Das ist für einen breit streuenden Leitindex, der 500 Unternehmen umfasst, eine ganz herausragende Performance. Hat Ihr Depot diese Performance im laufenden Jahr auch geschafft?  

Naja, wahrscheinlich haben Sie Deutschland und Europa zuletzt etwas zu stark gewichtet. Mit einer solchen Gewichtung konnte man zuletzt am Markt natürlich nicht mehr die großen Gewinne schaffen. Sowas kommt gelegentlich vor, dass einem die regionale Gewichtung ein Strich durch die Rechnung macht.  

Aber trösten Sie sich! Selbst US-Investoren, die ausschließlich im S&P 500 investiert waren, schafften zuletzt nicht einmal annährend die Index-Performance. Es sei denn, sie waren übergewichtet in Microsoft, Amazon, Apple und Facebook investiert. Diese 4 Aktien sorgten nämlich im laufenden Jahr ganz wesentlich für die Gewinne des US-Index.  

Dagegen stehen allerdings inzwischen 205 Aktien, die bereits seit 12 Monaten keinen Meter mehr machen. 129 dieser Aktien liegen inzwischen sogar mindestens 10 % im Minus. Erkennen Sie jetzt das Problem?  

Die Index-Betrachtung bzw. die spezielle Gewichtung im S&P 500 verzerren das Ergebnis ganz enorm. Zwar steht hier eine gewaltige Performance auf dem Papier, in der Praxis war es allerdings unmöglich diese Performance auch zu schaffen, selbst wenn Sie ausschließlich in diesem Index gehandelt haben.  

Aber was sagt uns das eigentlich? Die Antwort ist einfach: Nun stirbt auch allmählich die US-Hausse. Sie verliert von Woche zu Woche immer weiter eine Breite und Tiefe. Quasi jeden Tag kippt ein Index-Mitglied ins negative Terrain.  

Hier gilt an der Börse eine einfache Chronologie: Am Anfang einer Hausse steigen immer fast alle Aktien, dann steigen nur noch 300 von 500, schließlich steigen nur noch 20. Sehr bald steigt dann praktisch überhaupt keine mehr und dann fallen alle. Das nennt man dann Korrektur.  

Zuletzt habe ich dieses Muster idealtypisch Ende der 90er Jahre erlebt. Am Ende der damaligen Hausse legten fast nur noch die Mobilfunk-Aktien wie Mannesmann oder Deutsche Telekom zu. Weil die sehr dominant im Index gewichtet waren, bemerkten viele Investoren zunächst nicht, dass der DAX eigentlich bereits massiv angeschlagen war. Das wurde dann offensichtlich, als 2000 letztlich dann auch die Mobilfunk-Aktien umkippten.     

Nun, ich habe diesmal also keine guten Nachrichten für Sie. Tatsächlich müssen wir uns auf eine kleine Zwischenkorrektur vorbereiten, zumal auch die Geldpolitik die Aktienmärkte offensichtlich nicht mehr stimuliert. So verpuffte die gestrige Zinssenkung in den USA ziemlich wirkungslos.  

Unterdessen zeigt die Berichtsaison, dass sich die Konjunktur teils spürbar abgekühlt hat. Folglich sinken die Unternehmensgewinne, wie zuletzt etwa BASF, Lufthansa, Siemens oder BMW meldeten.  

Wie lange wird die Zwischenkorrektur anhalten? Gehen Sie davon aus, dass die Monate August und September hässlich für uns als Börsianer werden. In der zweiten Hälfte des Oktober dürften wir allerdings bereits wieder eine klare Erholungsbewegung sehen, die dann möglicherweise in einer Jahresendrally münden wird.  

Also: In Panik müssen wir nicht verfallen, aber trotzdem kurzfristig einmal den Helm aufziehen, bevor wir zum Jahresende wieder in die Offensive gehen.