Lieber Börsianer, 

die Ereignisse rund um die Finanzkrise 2008/9 haben sich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Damals hatte sich der DAX binnen eines Jahres fast halbiert. Die Banken wackelten in Europa und in den USA bedrohlich. Hierzulande stellten sich Bundeskanzlerin Merkel und der damalige Finanzminister Steinbrück vor die Kamera und garantierten unsere Bankeinlangen, um einen befürchteten Sturm auf die Banken und Sparkassen zu verhindern. Der Aktienmarkt brauchte rund 5 Jahre, um sich von diesen Ereignissen zu erholen. Dieser gewaltige Rückschlag bleibt uns in Erinnerung.  

Vor diesem Hintergrund fragen sich viele Investoren, ob sich eine solche einschneidende Katastrophe nicht demnächst wiederholen kann. Zumal viele Indizes in den vergangenen 10 Jahren wirklich sehr anständig gestiegen sind und mittlerweile luftige Höhen erreicht haben. Allein der US-Markt gemessen am S&P 500 hat sich in diesem Zeitraum ungefähr verdreifacht, und zwar vor Dividenden. Da kann es doch schon nochmals scheppern, oder? 

Zunächst die schlechte Kunde: Rein theoretisch kann natürlich an jedem Börsentag für uns quasi die Welt untergehen. Freilich die Wahrscheinlichkeit für einen neuen Crash, wie wir ihn 2008 oder zuvor schon zwischen 2000 und 2003 erlebt haben, ist gering. Das verrät ein Blick auf die fundamentale Bewertung des Aktienmarktes.  

DAX ist nicht auffällig überbewertet  

Schauen wir uns doch einmal einige wichtige Branchen und Segmente der Weltwirtschaft an. Der DAX und auch die übrigen europäischen Indizes weisen derzeit keine nennenswerten Überbewertungen auf. Das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) liegt mit 15 bis 16 im langjährigen Durchschnitt. Von den DAX-Schwergewichten weist lediglich Linde mit einem KGV von 26 eine erhöhte Bewertung auf. Dagegen stehen allerdings viele DAX-Aktien, wie etwa Siemens oder Allianz, die gemessen am KGV eher ein Kauf sind. 

Der europäische Bankenmarkt: Wie bereits eingangs erwähnt: Wesentliche Zutat der Finanzkrise 2008/9 war die teils dramatische Schwäche und Unterkapitalisierung der europäischen Kreditinstitute. Europaweit mussten zahlreiche Banken staatlicherseits gestützt werden, um einen völligen Kollaps des Kapitalmarktes zu vermeiden.  

Nun, die Banken sind immer noch keine Gewinnmaschinen. Einstmals dominante Institute wie Banco Santander oder Unicredit müssen noch einen weiten Weg zurücklegen, um wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Gleichwohl ist der europäische Bankensektor im Kern wieder stabil und mit ausreichender Liquidität und Eigenkapital versorgt, wie die letzten Stresstests der Bankenaufsicht gezeigt haben. Selbst Häuser wie die Deutsche Bank, die ja beständig in den Schlagzeilen ist, verfügen über anständige Bonitätsnoten (unter anderem A3) und haben vollen Zugriff auf den Kapitalmarkt.  

Immobilienmarkt: Spekulationsblase in den Metropolen? 

Auslöser der Finanzkrise 2008/9 war bekanntlich ein heiß gelaufener US-Immobilienmarkt. Viele Privatverbraucher hatten sich in Erwartung weitere Preisauftriebe bis über die Halskrause verschuldet. Als dann dieses Kartenhaus zusammenbrach, rollten die Schockwellen fast weltweit über die Märkte. Heute sind die Schulden der US-Verbraucher absolut betrachtet wieder historisch hoch. Gemessen an der Leistungsfähigkeit der US-Wirtschaft sind die Amerikaner allerdings im historischen Vergleich sehr solide finanziert. Zu Deutsch: Die Privatschulden in den USA sind durch das Einkommen und den Wert der Immobilien gut abgedeckt.  

Wie ist die Situation in Deutschland? In den deutschen Metropolen wie Stuttgart, München oder Hamburg sind die Preise für Wohnraum und auch Gewerbeimmobilien in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen. Viele Marktbeobachter sehen hier eine Spekulationsblase und erwarten, dass der Preistrend nächstens abrupt kippt. Natürlich hätte ein drastischer Preisverfall im Immobiliensektor auch negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.  

Ich hingegen sehe diese befürchtete Blase nicht. Solange der massive Zuzug in die Städte anhält, können dort die Preise kaum fallen. Hier gilt: Metropolen wie München waren schon vor 50 Jahren eigentlich zu teuer und werden es auch in 50 Jahren noch sein. Hier müssten wir einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel erleben, damit der Druck auf die Metropolen abnimmt. Zum Beispiel: Die Geburtenrate steigt wieder und die kinderreiche Familie zieht es wieder aufs Land. 

Die Prognosen deuten allerdings genau auf die gegenteilige Entwicklung: So sollen 2037 im Raum München 320.000 Menschen mehr wohnen, davon allein 168.000 im Stadtgebiet. Vor allem junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren werden weiterhin in die urbanen Zentren wie eben München oder Berlin streben.  

Mein Fazit: Der für die deutsche Gesamtwirtschaft wichtige Immobilienmarkt wird auf absehbare Zeit stabil bleiben. Selbst an der Peripherie werden wir keine Preiseinbrüche erleben. Dort ist der Markt ohnehin nicht überhitzt. Damit ist eine Krise am Immobilienmarkt, die in einem zweiten Schritt auch den Aktienmarkt erfassen würde, sehr unwahrscheinlich.  

Korrektur ja, Crash nein! 

Gegenwertig befinden wir uns vor allem in Europa in einer Korrektur, die wir nach meiner Prognose noch in diesem Jahr abschließen werden. Ich kann mir den DAX durchaus nochmals unter 11.000 Punkten vorstellen. Die Korrektur bleibt allerdings im Volumen und auch zeitlich begrenzt. Zu Deutsch: Wir sehen gegenwärtig eine Zwischenkorrektur, die für uns zunächst unangenehm ist. Gleichwohl werden in Ihren Depots in den kommenden Wochen keine irreparablen Schäden entstehen.