Lieber Börsianer,

am Wochenende wurde das wichtigste Ölförderzentrum SaudiArabiens von mehreren Drohnen angegriffen. Die Anlagen nahe der Stadt Abqaiq am Persischen Golf stehen für fast 6 % der täglichen Weltförderung von rund 100 Millionen Barrel. Derzeit steht dort die Produktion weitgehend still, während die Instandsetzung der beschädigten Anlagen auf Hochtouren läuft.  

Bereits am Sonntagabend unserer Zeit reagierten die asiatischen Terminmärkte in Asien auf den Angriff. Hier schossen die Preise für Brent wie auch US-Öl der Sorte WTI teils prozentual zweistellig binnen weniger Sekunden durch die Decke.  

Nicht überraschend eröffneten die wichtigen Aktienmärkte in Europa heute Morgen weich. Der DAX wie auch der EuroStoxx 50 verlieren zur Stunde rund 0,6 %. Gefragt sind lediglich die Aktien der Ölförderer. So kommen etwa Royal Dutch oder die österreichische OMV um rund 3 % voran.      

In der Vorwoche hatte sich der DAX unter dem Eindruck der jüngsten Entscheidungen der EZB noch sehr freundlich präsentiert. Heute endet nun der DAX-Auftrieb zumindest vorläufig.  

Inzwischen beruhigen sich die nervösen Märkte allmählich. Angeblich soll bereits heute Abend die Förderung bzw. Weiterverarbeitung in Abqaiq wieder aufgenommen werden. Der saudische Ölförderer Aramco, der die Anlagen betreibt, erklärte, dass man kurzfristig etwa ein Drittel der Förderung wieder anlaufen lassen kann. Außerdem hilfreich für den Markt: Donald Trump steht Gewehr bei Fuß, um die nationalen Ölreserven der USA für den Markt zu öffnen, sofern es tatsächlich zu Lieferengpässen kommen sollte.  

Der psychologische Schock sitzt tief – Realwirtschaftliche Auswirkungen wohl überschaubar

Es ist noch zu früh für eine abschließende Analyse. Gleichwohl habe ich den Eindruck, dass die Auswirkungen der Ereignisse auf die Realwirtschaft begrenzt sein werden. Mittlerweile pendelt sich der Preis für Brent-Öl bei rund 64 bis 65 US-Dollar ein. Das entspricht immer noch einem gewaltigen Preisauftrieb von rund 8,5 %. Der Preisdruck nimmt allerdings allmählich ab, und so dürfte sich der Ölpreis im Verlauf des Tages weiter entspannen.  

Freilich bleibt ein gewisser psychologischer Schock für die Märkte. Uns wurde nun eindrücklich vor Augen geführt, dass die globale Ölversorgung derzeit aufgrund der anhaltenden geopolitischen Spannungen in der Region latent gefährdet ist. Und ganz offensichtlich liegen die saudischen Förderzentren in Reichweite (mutmaßlich) iranischer Drohnen und anderer Flugkörper. Ohne Frage besteht im Persischen Golf latentes Kriegsrisiko.  

Derzeit unklar ist, wie die US-Notenbank Fed nun reagieren wird. Die US-Währungshüter treffen sich morgen und übermorgen zu ihrer turnusmäßigen Sitzung. Sollten sich die aktuellen Ölpreissteigerungen an den Zapfsäulen vollständig durchschlagen, wird dies in den USA die Inflation treiben. Das engt den Spielraum der US-Notenbank für weitere Zinssenkungen natürlich ein.