Lieber Börsianer,

landläufig mögen wir eine Aktie immer dann nicht, wenn sie uns spürbare Verluste gebracht hat. Solche Aktien finden wir schlecht und gestehen ihnen kein oder kaum noch Kurspotenzial zu.  

Ein fiktives Beispiel: Anleger Uli Unglücklich hat im 4. Quartal 2017 die Aktie der Helma Eigenheimbau AG für 49 Euro erworben. Der Kauf war eine klare Sache. Schließlich boomte hierzulande der Bausektor. Das Unternehmen aus Niedersachsen erstickte quasi in Neuaufträgen. Auch im Internet wurde die Aktie verschiedentlich als Perle aus dem deutschen Mittelstand gelobt.  

Und in der Tat: Das norddeutsche Unternehmen erstickte im engsten Sinne des Wortes an den Neuaufträgen. Man fand nämlich in einem leergefegten Arbeitsmarkt kaum noch neue Handwerker für die Baustellen. Ergo blieben die Aufträge liegen und Helma kassierte gleich mehrmals die Gewinnprognosen. Folglich marschierte die Aktie stramm südwärts. 

Derzeit sitzt Uli Unglücklich auf einem satten Buchverlust von 16 %. Auch zwei zwischenzeitliche Dividendenzahlungen verbessern das Gesamtbild nur geringfügig. Für Uli Unglücklich steht also fest: Die Aktie ist ein Rohrkrepierer und muss jetzt weg.  

Zu einer völlig anderen Einschätzung der Aktie kommt hingegen Anleger Claus Clever. Der hat die Aktie etwas später zu rund 33 Euro erworben und sitzt nun auf einem anständigen Buchgewinn von fast 25 %. Herr Clever hat es genau ausgerechnet: Unter Berücksichtigung einer Dividendenzahlung hat die Bauaktie aus Norddeutschland sogar den DAX geschlagen. Claus Clever findet die Helma-Aktie also gut. Er denkt nicht im Traum an einen Verkauf, sondern will die Gewinne weiter reifen lassen.  

Welcher Anleger hat nun Recht?

Wer hat nun Recht, Uli Unglücklich oder Claus Clever? 

Eines steht fest: Uli Unglücklich hat ausschließlich die negative Performance im Blick. Für das Aufholpotenzial der Aktie interessiert er sich gar nicht mehr. Er will das Kapitel abschließen und die erlittenen Verluste anderweitig aufholen. Das kann man so machen.  

Man kann aber auch seinen persönlichen Einstandskurs einfach vergessen und unvoreingenommen die Aktie quasi als potenziellen Neukauf nochmals anschauen. Möglicherweise würde Unglücklich zu einer anderen Einschätzung kommen und die Helma-Aktie sogar nachkaufen.  

Hieraus gilt folgende Börsenregel: Vergessen Sie Ihren ganz persönlichen Einstandskurs! Dieser Kurs entscheidet definitiv nicht, ob eine Aktie gut oder schlecht ist. Das entscheidet sich letztlich immer im Unternehmen selbst und am Markt. Der Einstandskurs sagt Ihnen allenfalls, dass Sie die Aktie (hier eben Helma) zu teuer oder zum falschen Zeitpunkt erworben haben.  

Diesen Fehler sollte man nicht dadurch überbieten, dass man nun auch noch zum falschen Zeitpunkt verkauft. So werden Sie auf Dauer an der Börse nicht erfolgreich sein.  

Kennen Sie dieses Gefühl? Zu teuer eingekauft und anschließend hastig viel zu billig verkauft? Ich wiederhole mich. Aus dieser Falle finden Sie dann heraus, wenn Sie den Einstandskurs ignorieren und den Titel im Licht der letzten Zahlen und Informationen neu bewerten. Kommen Sie dann zu dem Ergebnis, die Aktie ist ohne Perspektive, dann verkaufen Sie! Erkennen Sie hingegen Kurspotenzial, sollten Sie sogar einen Nachkauf erwägen. 

P.S. Hinweis auf Interessenkonflikt: Ich bin in der Aktie der Helma Eigenheimbau persönlich oder für Dritte investiert. Ich habe diese Aktie willkürlich zum Zweck der Anschauung ausgewählt. Eine Kauf- oder Verkaufsempfehlung verbinde ich damit nicht.