Lieber Börsianer, 

im Geiste hatten wir den Virus schon abgehakt. Zwar taten sich hierzulande immer wieder lokal einige Ansteckungsherde auf, wie zuletzt etwa auf einem Spargelhof in Oberbayern. Allerdings gelingt es den Behörden offenbar, die Hotspots frühzeitig zu erkennen und eine weitere flächige Ausbreitung des Virus zu verhindern. 

In den USA und in China ist man in dieser Angelegenheit allerdings weniger erfolgreich. So brach in Peking auf einem Großmarkt der Virus erneut aus, sodass die Behörden dort einzelne Bezirke in der Hauptstadt wieder absperren mussten. Da kommen am Markt schnell ungute Erinnerungen auf.  

In den USA ist die Situation in der Ballungsregion New York-New Jersey zwar vergleichsweise günstig, sodass New York in der vergangenen Woche wieder angefahren hat. Landesweit freilich rollt nun offenbar die zweite Welle. Die Zahl der Neuinfizierten und auch die Zahl der Einweisungen in die Krankenhäuser sind in den USA stark gestiegen.  

Mittlerweile wird immer offensichtlicher, dass sich der Virus nicht auf Knopfdruck abstellen lässt. Zwar erwarte ich keinen erneuten Lockdown. Wahrscheinlich ist aber, dass die zweite Welle das Wiederanfahren der Volkswirtschaften erheblich erschweren wird.  

Deshalb knickten die Aktienmärkte in der vergangenen Woche spürbar ein. Die Schwankungen haben wieder zugenommen. Positive Konjunkturdaten etwa aus China blieben in der Investorenschaft unbeachtet.  

Die Konjunkturprogramme sind durch – Die Phantasie geht aus dem Markt 

Inzwischen liegen nun die milliardenschweren nationalen und europäischen Konjunkturprogramme auf dem Tisch. Die Börsianer haben diese Unterstützungsmaßnahmen bereits eingepreist und fahnden nun nach weiteren Kursturbos für den Markt und finden dabei zurzeit eben nichts mehr.  

Jeder weiß, Berlin wird kaum nochmals ein milliardenschweres Konjunkturprogramm nachlegen. In den USA laufen die Programme der ersten Stunde nächstens sogar schon aus. Damit fehlen die Börsen derzeit Phantasie und weiterer Stimulus.  

Gleichwohl sehe ich den Markt immer noch lediglich in einer Zwischenkorrektur. Einen Kollaps der aktuellen Hausse erwarte ich nicht. Deshalb rücke ich von meiner grundsätzlich optimistischen Markteinschätzung auch nicht ab. 

Sinnvoll ist freilich die ein oder andere geplante Neuanschaffung noch einige Tage hinauszuzögern und mit tiefen Kauflimits zu arbeiten, damit Sie in die neue Position nicht gleich mit Verlusten starten. Erwiesen hat sich in den vergangenen Tagen auch, dass man mit den Aktien der klassischen Corona-Opfern wie Tui, Lufthansa oder Carnival noch sehr vorsichtig umgehen muss. So raste die Tui-Aktie zwar Ende Mai mächtig in die Höhe. Jetzt gehört sie allerdings wieder zu den großen Verlierern des Kurszettels. Diese Aktien sind natürlich unter antizyklischen Aspekten betrachtet attraktiv, sie sind allerdings unverändert sehr spekulativ.  

Fazit: Wir tun gut daran, unsere Erwartungen an die Wiedereröffnung etwas zu mäßigen. Noch ist der Virus nicht besiegt. Der positive Gesamttrend bleibt uns gleichwohl erhalten.