Lieber Börsianer, 

der DAX startet stark in die neue Börsenwoche. Die Stimmung der Börsianer ist derzeit wirklich ziemlich gut. Allein in den vergangenen 3 Monaten machten deutsche Standardaktien rund 27 %, die Wachstumsaktien des NASDAQ 100 schafften sogar noch einige Schnäpse mehr. Damit schafften die breiten Indizes eine Wertentwicklung, für die sie in „normalen“ Börsenphasen mindestens ein Jahr benötigen.  

Ist der Markt jetzt allmählich überkauft? Meine Antwort fällt differenziert aus. Im DAX finde ich immer noch eine Reihe Aktien, die gemessen an den bekannten fundamentalen Kennzahlen noch nicht sehr teuer sind. Hier denke ich etwa an Bayer, BASF oder Siemens, also klassische Industrieaktien. 

Auf der anderen Seite finden wir die sog. digitalen Geschäftsmodelle wie Amazon, Facebook, TeamViewer oder auch Splunk. An diesen Titeln ging die März-Korrektur quasi vorbei. Sie legten einfach immer weiter zu.  

Ein anderes Beispiel, die Apple-Aktie: Noch vor rund einem Jahr brachte es die Aktie des Smartphone-Spezialisten auf ein KGV von unter 20. Mittlerweile tendiert der US-Titel gegen ein KGV von 30. Keine Frage, die digitalen Unternehmen haben den Corona-Schock weit besser verdaut als die klassischen Industrieunternehmen. 

Die Zusammenhänge sind klar: Die Software-Entwickler der Apple oder der Amazon können Sie ins Home-Office schicken, bei VW musste man hingegen in der Hochphase der Pandemie Kurzarbeit anmelden. Außerdem waren plötzlich virtuelle Video- und Konferenzanwendungen gefragt wie nie zuvor. Wer bis dato die enorme Bedeutung der Internet- und Software-Unternehmen für die globale Volkswirtschaft noch nicht verstanden hatte, der hat es spätestens in der Corona-Krise verstanden.  

Trotzdem: Übertreiben es nicht die Investoren derzeit nicht mit ihrer Liebe zu den Wachstums- und Technologiemodellen? Ich meine schon. Dabei sehe ich, dass vor allem jüngere Börsianer in den vergangenen Monaten unausgewogene Depots aufgebaut haben. 

Sinnbildlich dafür steht auch der Fall Wirecard. Natürlich ist es ungeheuerlich, wenn ein DAX-Unternehmen derart versagt. Ungeheuerlich ist es freilich auch, wenn einige Anleger ihren Vermögensaufbau völlig einseitig auf nur einen DAX-Wert wie eben Wirecard stützen.  

Solche „Unvorsichttritt regelmäßig in überkauften Marktphasen auf, wenn die Anleger ohne echte Überlegung quasi spontan kaufen 

Mein Fazit: Noch ist der Markt in starker Verfassung. Die Investoren setzen darauf, dass sich die Konjunkturerholung der letzten Wochen im Rest des Jahres weiter verstetigen wird. Wir haben die Hoffnung, dass das Wirtschaftswunder 2.0 weiter Form annimmt, auch wenn das Virus noch nicht besiegt ist. Also, lassen Sie die Gewinne Ihrer Wachstumsaktien weiter laufen, Neuanschaffungen hingegen nehmen wir ab jetzt eher in den zurückgebliebenen Branchen vor, etwa Chemie oder Immobilien.  

Ich wiederhole mich: Das Geheimnis liegt in der Mischung aus New und Old Economy.