Liebe Börsianer,

derzeit sprießen die sog. Neo-Broker wie Pilze aus dem feuchten Waldboden. Ohne Fragen haben die kleinen FinTech-Unternehmen den deutschen Markt für den Wertpapierhandel gründlich durcheinander gewirbelt. Denn Neo-Broker wie justTrade oder Trade Republic bieten den Aktienkauf teilweise sogar kostenlos an. Vor allem beim jungen Börsennachwuchs sind sie hierzulande ausgesprochen beliebt.

Denn die Smartphone-Broker machen den Aktienhandel mobil und überall verfügbar und bedienen den Zeitgeist. Auf dem Weg zur Arbeit in der Straßenbahn schnell noch einige Stücke Netflix oder BionTech fürs Depot holen! So flexibel und unkompliziert mag es die junge Kundschaft.

Dabei muss man sich beim Aktienkauf wirklich nicht verkopfen. Kaufe ich jetzt Netflix in Frankfurt, München, im Direkthandel oder doch lieber an der Heimatbörse? Diese Entscheidung nehmen die Neo-Broker dem Aktionär ab, in dem sie nur einen Börsenplatz zur Verfügung stellen.

So lenkt Trade Republic alle Aktientransaktionen nach Hamburg zum dortigen Börsenmakler Lang & Schwarz (LS Exchange). Dafür bezahlt der Nutzer lediglich eine Pauschalgebühr von 1 Euro pro Transaktion. Am Ende führt dann Lang & Schwarz noch einige Cent pro zugeführter Order an den Broker ab. Für die Kenner der Materie: Dieses Geschäftsmodell bezeichnet man auch als Payment for Order Flow.

Das innovative Geschäftsmodell hat allerdings einen zentralen Schwachpunkt. Wie bereits angedeutet schaffen die Neo-Broker die günstige Kostenstruktur und einfache Bedienbarkeit wesentlich durch eine Verkürzung des Börsenplatz-Angebots sowie durch eine Verknappung des handelbaren Aktienuniversums.

So können Sie etwa bei justTrade lediglich 7.300 Aktien handeln. Nun, darunter wird man doch wohl die ein oder andere Kursrakete für sein Depot finden, oder? Sicherlich! Wer sich allerdings vergegenwärtigt, dass der internationale Kurszettel rund 51.300 notierte Aktien umfasst, versteht sofort, dass er bei justTrade von 86 % der handelbaren Aktien abgeschnitten ist.

Natürlich, der internationale Kurszettel umfasst reichlich Exoten wie etwa indonesische Palmölpresser oder thailändische Hersteller von Instant-Nudeln. Diese Aktien werden die meisten von uns nie benötigen. Freilich befinden sich unter diesen 86 % auch Titel aus der Schweiz. Und wenn ich Qualitätsaktien wie Nestlé oder Roche oder Kursraketen wie Zur Rose prinzipiell nicht kaufen darf, werde ich als ambitionierter Anleger böse.

Mein Fazit: Als Kaufmann und Liebhaber disruptiver Geschäftsmodelle mag ich die jungen Wilden und bedauere, dass noch keines dieser Unternehmen börsennotiert ist. Als Kunde und Börsenpraktiker interessieren mich diese Basis-Anwendungen hingegen weniger. Daher mein Rat: Nutzen Sie Trade Republic und Co. als Zweit-Broker und haben Sie immer einen Vollsortimenter wie Comdirect oder Maxblue in der Hinterhand.

So profitieren Sie vom Besten aus zwei Welten. Bei den Neo-Brokern handeln Sie Main-Stream-Aktien für lau, bei Ihrem konventionellen Anbieter holen Sie sich die Kursraketen, die möglicherweise nur in Zürich, Frankfurt oder New York handelbar sind.