Liebe Börsianer,

das ist ungeheuerlich, zumindest auf den ersten Blick. Der Konkursverwalter der Wirecard, Michael Jaffé erwägt die geschröpften Wirecard-Aktionäre nochmals zur Kasse zu bitten. Das geht aus seinem Sachstandsbericht hervor, die er vor wenigen Tagen dem zuständigen Amtsgericht in München vorgelegt hat. Was dort steht, liest sich für uns als Aktionär nicht sehr angenehm.

In dem Bericht wird konstatiert, dass die Wirecard Geschäftsabschlüsse der Jahre 2017 und 2018 nichtig sind. Der Vorstand hat einen Gewinn ausgewiesen, der nur auf dem Papier stand. Die in diesen beiden Jahren ausgekehrten Dividenden in Höhe von 47 Millionen Euro sind damit unrechtmäßige Zahlungen und sind durch den Insolvenzverwalter anzufechten. Hier wurde dem Unternehmen unrechtmäßig Liquidität entzogen und die Gläubiger vorsätzlich geschädigt.

Herr Jaffé beruft sich dabei auf § 62 des deutschen Aktiengesetzes. Dort steht: Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr bezogen haben, zurückzugewähren.

Das Rechtsprinzip, das hier im Hintergrund wirkt, ist offensichtlich: Einem Unternehmen darf nicht willkürlich Kapital entzogen werden, schon gar nicht im Vorfeld einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit.

Für uns als Aktionäre hat diese Regelung Sprengkraft. Danach sind selbst bereits ausgekehrte Dividenden nicht unbedingt sicher und müssen unter Umständen von uns zurückerstattet werden. Im konkreten Fall soll also die Haftung der Wirecard-Aktionäre nochmals ausgeweitet werden.

So weit wird es allerdings in der Praxis nicht kommen, denn im § 62 des Aktiengesetzes steht eben auch, dass die Dividende nur zurückerstattet werden muss, wenn die Aktionäre von der Unrechtmäßigkeit der Zahlungen sprich der Dividendenausschüttung Kenntnis hatten oder zumindest haben konnten.

Nun sind Minderheitsaktionäre keine Insider und hatten von den Machenschaften im Vorstand der Wirecard keine Kenntnis. Man konnte also auf die Rechtmäßigkeit der Dividendenauszahlung vertrauen. Die gute Nachricht für Wirecard-Aktionäre ist also: Die Dividende der genannten Jahre ist sicher und muss nicht zurückerstattet werden. Der einzige Aktionär, der hier erstattungspflichtig ist, ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun. Denn dieser Mann war Insider und wusste, dass die veranlassten Zahlungen nicht vom deutschen Gesetz gedeckt sind. Für den Insolvenzverwalter oder die Gläubiger ist dieser Rechtsanspruch aber nur Theorie. Denn Herr Braun sitzt im Gefängnis und ist mehr oder weniger mittellos.

Fazit: Die Dividende ist, sofern einmal auf Ihrem Konto gutgeschrieben, sicher. Lassen Sie sich als ehemaliger Wirecard-Aktionär und ganz generell als Aktien-Investor nicht vorschnell aus der Ruhe bringen. Hier gilt auch: Das deutsche Aktiengesetz ist nicht perfekt und wird uns bestimmt nicht immer vor jedem Verlust schützen. Trotzdem genießen Sie in Deutschland – und auch als Investor in Österreich oder der Schweiz – guten Schutz und viel rechtliche Sicherheit. Darauf können Sie aufbauen.