Liebe Börsianer,

zumindest verbal strafft die US-Notenbank Federal Reserve nun die Geldpolitik. So sieht man nun eine erste Zinserhöhung für das Jahr 2023 vor. Noch im März hieß es, der Markt wird keine Zinsschritte vor 2024 sehen. Außerdem erwägt man, das laufende Anleihenkaufprogramm gemessen am Volumen zu reduzieren. Zur Info: Derzeit pumpen die Währungshüter mindestens 120 Milliarden USD pro Monat über Anleihekäufe in den Markt, um den Marktzins weiter niedrig zu halten.

Lassen Sie mich witzeln: Die Fed erwägt nun, ob man nicht einmal eine Reduzierung des Kaufprogramms erwägen sollte. Zu Deutsch: Ein Bruch mit der lockeren Geldpolitik der Vergangenheit steht sicherlich nicht unmittelbar bevor.

Zuvor wollen die Währungshüter um Jerome Powell erst einmal eine vollständige Erholung des Arbeitsmarktes, sprich nahezu Vollbeschäftigung, sehen. Dieser Plan hat möglicherweise einen kleinen Haken. Derzeit sprechen schon einige Indizien dafür, dass diese Vollbeschäftigung nicht mit einem Inflationsziel von 2 % einhergehen kann. Hier muss Jerome Powell also möglicherweise entweder in punkto Arbeitslosigkeit oder in punkto Geldstabilität Abstriche machen.

Fazit: Eine neue Geldpolitik oder Zinswende ist zumindest aktuell nicht im Interesse der US-Währungshüter. Vor allem weiß der Vorsitzende der Fed, Jerome Powell, dass abrupte und überraschende Zinsmaßnahmen den Aktienmarkt schwer schädigen. Deshalb wird man uns sicherlich sehr sensibel an die Thematik heranführen, sobald die Fed höhere Leitzinsen für notwendig hält. Das ist die gute Nachricht für uns als Börsianer.

Die schlechte Nachricht: Notenbanken erteilen dem Markt keine Befehle. Was meine ich damit? Die US-Notenbank wird unweigerlich unter Druck geraten, wenn die Inflation auch im dritten und vierten Quartal hartnäckig und deutlich über dem Inflationsziel von 2 % liegt. Hier gilt: Wenn sich eine Inflation einmal verselbstständigt und galoppiert oder zumindest trabt, fangen Sie dieses Pferd nicht mit ein oder zwei Erhöhungen des Leitzinses ein. Eine verantwortungsvolle Geldpolitik muss daher immer antizipieren und den Anfängen wehren.

Und in dieser Disziplin waren die Männer und Frauen um Jerome Powell zuletzt nicht so gut. Man hat die massive Erholung der Volkswirtschaft unterschätzt. Auch das Hochschnellen der Inflation auf zuletzt 5 % gehört nicht zum Drehbuch. Da hatte man eher mit einer moderaten Überschreitung des Inflationsziels von 0,5 bis 1 % gerechnet.

So gibt es schon eine bedeutende Minderheit im Offenmarktausschuss der Federal Reserve, der eine Erhöhung des Leitzinses bereits für das kommende voraussieht. Die nächsten Monaten werden also spannend bleiben.

Tatsache ist, die Phase fallender Marktzinsen ist vorüber. So sind die Renditen der US-Anleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit (T-Note) bereits von 0,5 auf knapp 1,6 % gestiegen. Das ist noch kein Beinbruch, aber sicherlich auch kein Turbo für den Aktienmarkt. Hier gilt: Der gute Börsianer hat in den kommenden Monaten immer auch ein Auge auf den Aktivitäten der Notenbanken und vor allem auf der Entwicklung der Preise. Genau diese Faktoren werden den Aktienkurse in den kommenden Monaten wesentlich beeinflussen.