Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

die Corona-Pandemie wirkte in vielen gesellschaftlichen Bereichen als ein Katalysator. Entwicklungen, die sich schon seit vielen Jahren abgezeichnet haben, wurden beschleunigt und es wurde eine neue Realität geschaffen. Phänomene wie das Homeoffice oder digitale Nomaden gab es bereits vor der Pandemie. Jetzt sind sie zu etwas völlig Normalem geworden.

Mit dem Wandel von gesellschaftlichen Trends geht immer auch ein Wandel in der Wirtschaft einher. Geschäftsmodelle, die sich Jahrzehntelang bewährt haben, werden unprofitabel und unbekannte Nischenplayer wie Zoom werden zu weltbekannten Unternehmen.

Die Corona-Pandemie hat auch dem Online-Handel zu seinem langen absehbaren Siegeszug verholfen. Für sehr viele Menschen ist es normal geworden, alle möglichen Produkte online zu bestellen.

Untergangspropheten leiten daraus eine zukünftige Verwahrlosung der Innenstädte und das Sterben des Einzelhandels ab. Es werden sogar vereinzelt Stimmen nach staatlichen Interventionen oder wie im Fall von Raoul Rossmann nach einer Sondersteuer für den Onlinehandel laut. Ich halte diese Maßnahmen für völlig übertrieben und sehe die Problematik des Einzelhandels etwas differenzierter.

Speziell der stationäre Modehandel bietet ein Lehrstück darüber, wie entscheidend der Umgang mit Technologie für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Im Rahmen der Corona-Pandemie sind viele Dinosaurier dieser Branche in massive Schwierigkeiten geraten oder sogar ganz verschwunden. Mit Ahlers, Gerry Weber, Adler Modemärkte und Esprit möchte ich nur einige Namen nennen, die zeigen, wie es nicht geht.

Auch wenn diese Unternehmen verschiedene Konzepte, Zielgruppen und Preissegmente bedienen, sie haben eins gemeinsam: Sie haben alle die Folgen der Digitalisierung unterschätzt und die neue Konkurrenz in Form von Zalando und Amazon ignoriert. Dieser unternehmerische Fehler ist den Aktionären teuer zu stehen gekommen.

Das soll allerdings nicht bedeuten, dass ich keine Zukunft für den stationären Modehandel sehe. Wie in vielen Bereichen des Lebens gibt es auch hier nicht nur schwarz und weiß. Unternehmen wie H&M und Inditex, zu dem die bekannte Marke Zara gehört, zeigen wie erfolgreich man mit dem Mittelweg sein kann.

Die beiden Unternehmen haben frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, auf die Online-Konkurrenz zu reagieren. Die unternehmenseigenen Onlineshops stehen allerdings nicht in Konkurrenz mit den Ladengeschäften, die beiden Bestandteile ergänzen sich. Das Integrierte Einkaufserlebnis bietet den Kunden Möglichkeiten und Flexibilität, welche die Online-Konkurrenz nicht bieten kann.

Kleidung kann im Geschäft anprobiert und mithilfe der Apps einfach und unkompliziert in einer anderen Farbe oder Größe nach Hause bestellt werden. Onlinebestellungen können direkt im Laden zurückgegeben werden. Die hochentwickelten Apps erkennen von selbst, wenn ein Kunde einen Laden betritt, und führen ihn dann zu den vorher online entdeckten Stücken.

Das Filialnetz dient allerdings nicht nur als eine riesige Umkleidekabine für den Onlinehandel. Durch die dezentrale Struktur ermöglichen die Filialen Bestellungen noch am selben Tag zustellen zu können. Sie sehen, ein Filialnetz ist auch im 21. Jahrhundert keine Belastung, sondern bietet die Möglichkeit für zahlreiche Synergien.

All dies ist nur möglich, weil die Unternehmen frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt, und in Technologien investiert haben.