Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

im Juli hat sich der Schweizer Solarmodul-Entwickler Meyer Burger Technology (MBT) im Rahmen einer Kapitalerhöhung frische Mittel an der Börse besorgt. Dabei hat MBT alle Aktionäre – bis auf einen – von der Teilnahme an dieser Transaktion ausgeschlossen. So zeichnete offenbar eine auf der britischen Kanalinsel ansässige Investmentgesellschaft namens Sentis PPC die neuen Aktien. Darüber hinaus hatte Sentis auch noch exklusiven Zugriff auf neu begebene Wandelanleihen, so zumindest der Verdacht.

Nun findet diesen Vorgang eine Schweizerin namens Gisèle Vlietstra reichlich dubios. Sie besitzt seit 2020 rund 2 % des Aktienkapitals der MBT und hätte sich möglicherweise auch gerne an der lukrativen Kapitalerhöhung beteiligt. Nun schaut sie in die Röhre und hat obendrein wie die übrigen MBT-Aktionäre den Kursabschlag. Denn die Kapitalmaßnahmen verwässern ihren Anteil am Unternehmen.

Exkurs für die Neubörsianer: Üblicherweise werden die neuen Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit einem spürbaren Rabatt auf den Kurs der Altaktien zugeteilt. Mit diesem Rabatt kompensieren die Aktionäre dann den Kursabschlag bzw. die Verwässerung. Die Aktionäre der MBT hatten diese Möglichkeit nicht.

Nun schießt die Dame über die Medien und über eine Webseite namens Transparenz-Meyerburger gegen den Verwaltungsrat scharf. Für Sie ist die Bevorzugung des Investors Sentis auch kein Zufall, denn die Gesellschaft hielt zum damaligen Zeitpunkt 14 % an dem Solarmodul-Entwickler und entsendet darüber hinaus einen eigenen Vertreter in den Aufsichtsrat des eidgenössischen Unternehmens. Hier wurde also intern auf Kosten der Privatanleger gemauschelt, so ihr Vorwurf.

Mittlerweile nimmt sich auch der Schweizerische Anlegerschutzverein der Causa MBT an und springt der Börsenrebellin zur Seite. Wahrscheinlich wird am Ende ein ordentliches Gericht weitere Klärung bringen müssen.

Ich beobachte die Vorgänge rund um Meyer Burger mit großem Interesse. Mir sind diese Kapitalerhöhungen oder Privatplatzierungen, die sich ausschließlich an ausgewählte Aktionäre richten, bereits seit Jahren ein Dorn im Auge. Sie sind auch in Deutschland oder den USA an der Tagesordnung. So ist es gängige Praxis, dass US-Unternehmen europäische Investoren ausschließen, weil man sich auf diese Weise die Kosten für einen Emissionsprospekt sparen möchten.

Für mich ist das ein Verstoß gegen die Prinzipien der Aktionärsdemokratie. Hier werden Aktionäre zweiter Klasse geschaffen. Dabei geht es mir nicht um irgendwelche abstrakten Ideale, sondern darum, dass ich als Privatanleger in diesem Augenblick regelmäßig Rendite verliere, während sich der Großaktionär, der gut mit dem Vorstand kann, die Taschen füllt. Diese Ungleichbehandlung ist nicht in Ordnung. Hier ist der Gesetzgeber in Brüssel, Washington oder Bern aufgerufen, den gesetzlichen Rahmen für eine Kapitalmaßnahme exakter zu fassen.

Nun, Frau Vlietstra wird mit ihren Bemühungen diesen Sachverhalt nicht gleich morgen ändern. Trotzdem ist ihr Kampf gegen diese unglückliche Praxis wichtig. Ihr Aufbegehren kann ein wichtiger erster Beitrag zu einer verbesserten Aktienkultur in der Schweiz und mittelbar auch in ganz Europa sein. Ich wünsche der Frau weiterhin Courage und Durchsetzungskraft.