Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

im Land am Hindukush haben zu verschiedenen Zeiten insgesamt 160.000 Soldaten der Bundeswehr in den letzten 20 Jahren Dienst getan. 59 von Ihnen sind dabei gefallen. Deutschland hat nach den USA und Großbritannien das größte Truppenkontingent in Afghanistan gestellt. Wir haben viel versucht und viel Geld für dieses Land ausgegeben. Nun ziehen in der kommenden Woche die letzten Bundeswehr-Soldaten gemeinsam mit ihren Verbündeten ab.

Die Taliban patrouillieren wieder in den Straßen von Kabul, Herat oder Dschalalabad. Mit besonderem Interesse hat man die Ereignisse der letzten Monate in Peking verfolgt. Und nun, so der Plan in Peking, nachdem die NATO abzieht, kommen wir und holen uns die Bodenschätze und Rohstoffe des islamischen Landes. Und in der Tat gibt es am Hindukush Einiges zu holen. Denn Afghanistan ist unglaublich rohstoffreich.

Angeblich sollen dort allein Vorkommen an Seltenen Erden, Kupfer und Lithium im Gegenwert von 1 Billion USD lagern. Einige Geologen rechnen die dortigen Lithium-Vorkommen zu den größten der Welt. Die Ambitionen der Chinesen sind folglich hochfliegend. Afghanistan soll in das internationale Wirtschaftssystem Chinas (Neue Seidenstraße) integriert werden. Chinesische Rohstoff- und Infrastruktur-Unternehmen sollen mit Milliarden-schweren Staatskrediten das unterentwickelte Land erschließen und den Rohstoffschatz für China heben. So hofiert der chinesische Außenminister Wang Yi bereits die neuen Machthaber in Kabul und traf jüngst den führenden Taliban-Politiker Abdul Ghani Baradar.

Aber selbst der gedemütigte Westen kann den chinesischen Ambitionen Positives abgewinnen. Man setzt darauf, dass die afghanische Förderung die drohende Knappheit besonders bei den kritischen Batteriemetallen zumindest abmildern kann. Afghanistan soll der Gamechanger für den angespannten Rohstoffmarkt werden, so das Kalkül in vielen Unternehmen. Und natürlich gilt hier eine einfache Regel: Je billiger die Rohstoffe, desto höher die Unternehmensgewinne.

Wie realistisch sind die Planungen Chinas? Ich formuliere einfach: Afghanistan ist außerhalb der städtischen Zentren Steinzeit pur. Dort gibt es keine asphaltierten Straßen oder Schienenwege geschweige denn eine Stromversorgung. Die Chinesen müssten dies eigentlich wissen.

Denn schon 2008 erwarb ein chinesisches Staatsunternehmen die Förderrechte für ein Minenprojekt bei Mes Aynak in der Nähe von Kabul. Kupfer im Wert von 3 Milliarden USD wollte man fördern. Insgesamt vermutete man bei Mes Aynak Vorkommen in Höhe von 450 Millionen Tonnen Kupfer. Die liegen da übrigens heute noch. Kein einziges Gramm haben die Chinesen gefördert. Das Projekt scheiterte an fehlender Infrastruktur und anderen sehr ungünstigen äußeren Umständen.

Erst in diesen Tagen hat Kabul den zweiten Bankensturm innerhalb von rund 10 Jahren erlebt. Es gibt kein Bargeld mehr, und die Auslagen der örtlichen Einzelhändler sind leer. Vielleicht irre ich mich, und die Chinesen bringen mittelfristig zumindest kleinen Wohlstand und ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Sicherheit. Das wünsche ich dem gequälten Land am Hindukush.