Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

das ist doch wirklich großartig. Mittlerweile kaufen oder verkaufen wir Aktien bei den sog. Neo-Brokern für ganz kleines Geld oder teilweise sogar völlig kostenfrei. So berechnet seinen Kunden Trade Republic pro Transaktion und ganz unabhängig vom Volumen eine pauschale Gebühr von einem Euro. Bei justTrade handeln Sie sogar völlig kostenfrei für null Euro. So macht Aktienanlage wirklich Spaß, oder?

Da drängt sich für den aufmerksamen Börsianer, der ja immer auch ein guter Kaufmann ist, folgende Frage logisch auf: Wovon leben diese neuartigen FinTech-Unternehmen eigentlich? Sind die möglicherweise gemeinnützig und engagieren sich unentgeltlich für die deutsche Aktienkultur?

Die Erklärung für das vermeintliche Preiswunder nennt man in der englischen Sprache: Payment for Order Flow. Was verbirgt sich dahinter?

Beispiel Trade Republic: Der Neo-Broker leitet Ihre Aktien-Order regelmäßig an den Hamburger Börsenmakler Lang & Schwarz weiter. Der Börsenhändler fasst nun die diversen Aufträge möglichst geschickt und spesengünstig zusammen und führt sie aus. Gleichzeitig leistet der Börsenmakler eine Zahlung (Payment) für an ihn durchgeleitete Orders (Order Flow). In der Tat werden also die Neo-Broker nicht vom Aktionär bezahlt, sondern vom Handelsplatz bzw. dem entsprechenden Börsenmakler.

Hier liegt ergo ein Interessenkonflikt vor. Denn der Neo-Broker ist nicht unbedingt daran interessiert die Order an den Börsenplatz zu schicken wo der Käufer den besten Kurs findet. Vielmehr schickt man die Order an den Börsenplatz, der dafür am besten bezahlt. Hier gilt: Die Börsenhändler finanzieren dieses Entgelt für den Neo-Broker über die Kursstellung. Ganz konkret: Man wird Ihnen also gelegentlich die ein oder andere Aktie einige Cent zu teuer verkaufen oder zu billig abkaufen.

Nun, müssen wir jetzt unser Depot bei justTrade, Trade Republic oder Scalable kündigen, weil wir dort über den Tisch gezogen werden? Lassen Sie mich differenziert urteilen.

Ihr Depot hat noch nicht das ganz große Volumen erreicht, und Sie wenden pro Transaktion in der Regel wenige tausend Euro auf. Außerdem handeln Sie bevorzugt marktbreite und populäre Aktien aus den großen Indizes wie etwa dem S&P 500 oder dem DAX. Ferner stoßen Sie sich nicht daran, dass Sie hier mit einer eher einfachen Software per Smartphone handeln. Dann sind die Neo-Broker für Sie der optimale Partner. Selbst wenn Sie einige Aktien etwas zu teuer einkaufen, wirkt sich der Kostenvorteil dieses Geschäftsmodells für Sie günstig aus.

Sie sind hingegen schon langjährig an der Börse aktiv und handeln oft fünfstellige Volumen. Außerdem mischen Sie regelmäßig ausländische Nebenwerte bei und benötigen daher auch einen Zugang zu ausländischen Börsenplätzen, dann sind Sie bei den Neo-Brokern nicht so gut aufgehoben. Für Sie ist es wichtig, dass Sie den Orderprozess selbst in der Hand haben und jede Transaktion exakt an den Börsenplatz schicken, der Ihnen den besten Kurs ermöglicht.

Der Zusammenhang ist klar. Wenn Sie für 10 Aktien jeweils 2 Euro-Cent zu viel bezahlen, kräht danach kein Hahn. Handeln Sie allerdings 1.000 Stücke jeweils 2 Euro-Cent zu teuer, ist der Kostenvorteil der Neo-Broker rasch dahin.