Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

es gibt wohl kaum jemanden, der noch nie etwas von Steve Jobs gehört hat. Der Visionär und Apple-Gründer hat mit seiner unkonventionellen Art des Denkens und mit seinen Unternehmen Apple und Pixar Weltruhm erlangt. Manchen von Ihnen ist vielleicht auch Steve Wozniak ein Begriff. Er war der Ingenieur, der hinter den ersten Produkten von Apple stand.

Wesentlich unbekannter als die beiden Steves, die bei der Gründung von Apple dabei waren, ist Jonathan Ive. Trotzdem hatte er eine sehr entscheidende Bedeutung für die Entwicklung von Apple.

Der Brite war ab 1992 Designer bei Apple und verhalf dem Unternehmen zu dem Erfolg, von dem es noch heute profitiert. Er war federführend bei der Entwicklung des iMacs, der in den 90er Jahren mit knallig-bunten und auffällig geformten Gehäusen einen Kontrast zu den weitverbreiteten grauen PCs darstellte. Er wirkte an iPod, iPhone, iPad und auch an der Apple Watch mit. Er hat über mehrere Jahrzehnte maßgeblich das Bild und das ästhetische Empfinden, das wir gegenüber elektronischen Geräten haben, geprägt. Für seine Leistungen wurde er sogar von der Queen zum Ritter geschlagen.

Ab 2012 übernahm Jonathan neben dem Hardwaredesign auch das Softwaredesign. Er bestimmte von da an über das Erscheinungsbild der Betriebssysteme und Programme von Apple. Mit dieser hybriden Funktion verkörpert Ive das Ideal von Apple, dass Hardware und Software, die aus einer Hand kommt, der Konkurrenz überlegen ist.

Vor gut zwei Jahren hat Jonathan Ive die Firma verlassen. Auch wenn Apple damit einen genialen Kopf verloren hat, stellte das auch einen Befreiungsschlag für das Unternehmen dar. Denn Ive hatte Apple in eine Sackgasse geführt.

Er war ein brennender Verfechter von Steve Jobs Philosophie, nach der das Design, und dessen Verbesserung bei der Entwicklung von Geräten, an allererster Stelle steht, der alle anderen Faktoren unterzuordnen sind. In den 2000ern war das Unternehmen mit dieser Philosophie sehr erfolgreich.

Während die Konkurrenz in allen Geräteklassen hauptsächlich mit hässlichen grauen Plastikkästen daherkam, wird Apple schon lange für die Wahl von hochwertigen Materialien und das überlegene und durchdachte Design geschätzt.

In den 2010ern kam diese Philosophie jedoch an ihre Grenzen. Da es kaum noch etwas zu verbessern gab, ging das fortschrittliche Design immer mehr zu Lasten der Funktionalität der Geräte. Die iPhones wurden immer dünner. Der schwindende Platz im Inneren reduzierte allerdings auch die Akku-Kapazität. Auch die sinkende Zahl haptischer Tasten an iPhone und iPad stellt für vielen Nutzer eher einen Rückschritt dar. Macbooks wurden immer leichter, allerdings verloren sie ihre überlegene Robustheit, da die fragilen Leichtgewichte immer mehr an Stabilität verloren.

Unter der Besessenheit von Jonathan Ive hat vor allem die Kundengruppe gelitten, die Apple einst zum Aufstieg verhalf: die Profis. Vor allem bei dem beliebten MacBook Pro wurden immer mehr Anschlüsse und Möglichkeiten dem Design geopfert. Mit jeder Generation wurden die Geräte für professionelle Nutzer aus der Kreativbranche unbrauchbarer.

Jetzt, in der Ära nach Jonathan Ive wendet sich Apple dieser Kundengruppe wieder zu und hofft auf eine Aussöhnung. In der vergangenen Woche präsentierte Apple das neue MacBook Pro. Die mobile Workstation bring viele Features mit, die dem Designwahn der vergangenen Tage zum Opfer gefallen waren: einen SD-Karte Leser, einen HDMI Anschluss und sogar die magnetische Ladebuchse Mag Safe, die schon vielen MacBooks das Leben gerettet hat.

Ich erzähle Ihnen diese Geschichte, um Ihnen zu zeigen, dass selbst bei den größten Unternehmen der Welt einige wenige Personen entscheiden, in welche Richtung sich ein Unternehmen entwickelt und in welche eben nicht. Deshalb achte ich bei einer Investition nicht nur auf die Geschäftszahlen, sondern beschäftige mich damit, wer das Unternehmen lenkt und welche Möglichkeiten und Gefahren im Management verborgen sind.