Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

das Thema geht derzeit die Medien rauf und runter. Die deutschen Gasspeicher sind vor der kalten Jahreszeit nur unzureichend gefüllt. Wenn der Winter also sibirisch wird, droht uns spärlich beheizter Wohnraum plus Ski-Unterwäsche. In der Tat waren die Speicher im September zeitweise nur zu rund 60 % gefüllt. Dabei brauchen wir, bevor Väterchen Frost kommt, einen Füllstand der nationalen Gasspeicher von rund 90 %, so die Berichterstattung.

Lassen Sie mich etwas zur Versachlichung der emotionalen Diskussion rund um den jüngstem Gaspreis-Schock beitragen. Die Medien berichten durchaus nicht ganz falsch. So bestreiten wir an kalten Wintertagen rund 60 % der Gasversorgung aus dem nationalen Speichersystem. Die gleichzeitigen Anlieferungen per Schiff oder Pipeline reichen bei strammen Minusgraden bei Weitem nicht aus, um die tägliche Nachfrage zu befriedigen. Trotzdem fehlt der aktuellen Medienberichterstattung der Kontext. Vor lauter Baumen und täglich frisch gemeldeten Füllständen sieht man das Gesamtbild nicht mehr.

Einige Fakten zu den deutschen Gasspeichern. Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland nach den USA, Russland und der Ukraine über das volumenstärkste Speichersystem der Welt. Im Durchschnitt lagern regelmäßig rund ein Viertel der EU-Gasreserven auf bundesdeutschem Boden. Zu Deutsch: Auch ein niedriger Füllstand in diesem leistungsfähigen System ist ein guter und mindestens kurzfristig völlig ausreichender Füllstand.

Dabei werden die relevanten Vorräte hierzulande vor allem unterirdisch in sog. Kavernen- und Porenspeichern gelagert. Kavernen sind ausgeschwemmte Salzstöcke, die sich aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften hervorragend zur Gaslagerung eignen. Eine anständige Kaverne hält dabei einen Druck von bis zu 200 bar aus. Hier kann man also mächtig reindrücken.

Ferner speichern wir Gas in tiefen und lockeren Sandsteinformationen, die durch eine obere und natürliche Deckformation abgedichtet sind. Diese Porenspeicher haben allerdings den Nachteil, dass deren Befüllung bzw. Entleerung viel Zeit in Anspruch nimmt, während Sie eine Kaverne relativ schnell quasi wie einen Überdruckbehälter entleeren können. In der Kombination ist das System also in der Lage, Nachfrageschübe auf Tagesbasis wie auch saisonalen Mehrbedarf abzupuffern.

Vorteilhaft zudem, die Speicher verteilen sich in der Fläche recht harmonisch. So wird der Norden aus dem niedersächsischen Kavernensystem versorgt, Süddeutschland bezieht den gespeicherten Brennstoff aus Süd-Bayern, während der Osten über große Speicher in Sachsen-Anhalt versorgt wird. Für die Techniker und Geologen unter Ihnen: Hier finden Sie weitere vertiefte Informationen.

Fazit: Wenn irgendwann in einem kalten Winter in dieser Welt einmal das Gas ausgehen sollte, wir werden erst ganz zum Schluss kalt duschen müssen. Die frohe Kunde kann ich übrigens auch gleich nach Österreich tragen. Zwar sind auch dort die Füllstände ebenfalls niedrig. Die Alpenrepublik verfügt allerdings – gemessen an der Bevölkerungszahl – über ein noch besser ausgebautes Speichersystem als Deutschland. Der Winter kann also kommen.

Zum Abschluss: Verstehen Sie mich nicht falsch! Sie haben hier keinen Jubel-Artikel gelesen. Ich habe dargelegt, dass Gas und letztlich auch Strom zunächst völlig ausreichend vorhanden ist. Gleichwohl wird das Preisniveau der Energien zum Problem, vor allem für einkommensschwächere Haushalte. Generell droht uns ein echter Wohlstandskiller, wenn wir weiterhin nicht in der Lage sind, Energie zu ungefähr erschwinglichen Preisen zu erzeugen.

Morgen lesen Sie mehr zur globalen Energiekrise. Ich zeige Ihnen auf, wie Sie diese Problematik als Börsianer konstruktiv umsetzen. Denn es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die von der Energie-Knappheit erheblich profitieren werden.