Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

die US-Notenbank gegen die Wirtschaft – so lässt sich die aktuelle Situation zusammenfassen. Einige von Ihnen werden nun sagen: „Moment mal, sollte die Fed nicht die Wirtschaft unterstützen?“ Nun, nicht ganz. Sie will vielleicht der Wirtschaft helfen, aber die Wirtschaft zu unterstützen, ist nicht ihre primäre Aufgabe. Die primäre Aufgabe ist die Unterstützung der Banken. Die Fed wurde im Wesentlichen gegründet, um das Bankensystem zu stützen und Bankausfälle zu verhindern. Alles andere, was sie zu erreichen versucht, wie Preisstabilität und maximale Beschäftigung, ist zweitrangig.

Es ist also nicht selbstverständlich, dass die Fed immer die besten Interessen der Wirtschaft verfolgt. Vielen ist das nicht bewusst, aber es ist wichtig, sich das vor Augen zu halten. Jeder weiß, dass die Fed derzeit die Zinssätze anhebt. Aber welche Zinsen sind das genau? Der Zinssatz, den die Fed tatsächlich anhebt, wird als Fed Funds Target Rate bezeichnet. Das ist der Zinssatz, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen, um ihre Mindestreserveanforderungen auf Tagesgeldbasis zu erfüllen. Die Fed Funds sind die Beträge, die sich die Banken untereinander leihen, um ihre Übernacht-Reserveanforderungen zu erfüllen.

Es handelt sich also um einen extrem kurzfristigen Zinssatz. Die Fed nutzt diesen Zinssatz, um die Geldmenge zu kontrollieren, die Inflation zu dämpfen und andere wirtschaftliche Ziele zu erreichen.

Die Fed strebt einen Zinssatz an, den es nicht mehr gibt

Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die Mechanismen des Bankensystems eingehen, aber hier ist der wesentliche Punkt, den ich ansprechen möchte: Seit etwa 12 oder 13 Jahren, als die Fed während der großen Finanzkrise begann, das System mit Geld zu fluten, gibt es keinen echten Fed-Funds-Markt mehr. Momentan befinden sich die Reserven in der Nähe des Allzeithochs. Mit anderen Worten: Die Banken haben überschüssige Reserven in Höhe mehrerer Billionen Dollar, die über den Anforderungen liegen.

Es gibt also keine Knappheit an Reserven und daher gibt es auch keine Übernachtkredite zur Deckung der Mindestreserveanforderungen, da alle Banken über überschüssige Reserven verfügen. Die Fed strebt also einen Zinssatz an, den es gar nicht mehr gibt. Warum tut sie das?

Die Banken verleihen nicht untereinander, sondern an die Fed in Form von Überschussreserven. Dabei handelt es sich um Einlagen bei der Fed, für die die Fed Zinsen zahlt. In gewissem Sinne sind die Zinsen auf Überschussreserven also ein moderner Ersatz für den alten Leitzins.

Aber dieses Geld wird im Grunde sterilisiert. Es verbleibt im Bankensystem, ohne seinen Weg in die Realwirtschaft zu finden. Aus diesem Grund haben die QE-Maßnahmen der Fed nach 2008 nie zu einer Inflation der Verbraucherpreise geführt. Die Inflation, die wir heute erleben, hat nichts mit QE zu tun.

Der Einfluss der Fed auf die langfristigen Zinsen ist begrenzt

Die Fed kontrolliert eigentlich nur den Tagesgeldsatz. Auf die längerfristigen Zinssätze, z. B. für zehnjährige Staatsanleihen, hat sie keinen vergleichbaren Einfluss. Die Fed kann die Zinssätze für zehnjährige Staatsanleihen bis zu einem gewissen Grad mit quantitativer Lockerung oder quantitativer Straffung durch Käufe und Verkäufe auf dem Markt beeinflussen. Sie kann den Zinssatz ein wenig bewegen, aber dieser Einfluss ist begrenzt.

Der Markt für zehnjährige Staatsanleihen ist signifikant größer als die Fed. Es handelt sich um den tiefsten und liquidesten Markt der Welt. Die Fed kontrolliert die langfristigen Zinssätze also nicht direkt und sie hat auch nicht die Möglichkeit, dies zu tun. Wie also kann eine Anhebung des Leitzinses die Inflation verringern?

Die Angebotsseite

Es gibt zwei Hauptursachen für die Inflation. Es gibt die Angebotsseite und es gibt die Nachfrageseite. Beide können die Inflation anheizen, aber sie sind sehr unterschiedlich in ihrer Wirkungsweise.

Die Angebotsseite entsteht, wie der Name schon sagt, durch den Input. Momentan ist das Angebot aber einfach nicht vorhanden. Die Agrarpreise steigen, weil die Düngemittelpreise steigen. Die Ölpreise steigen, weil es eine weltweite Knappheit gibt und die Lieferketten unterbrochen sind.

Tatsächlich muss ich meine Bemerkungen zur Ölknappheit präzisieren. Steigende Benzinpreise haben nur wenig mit der Ölversorgung zu tun. Es gibt an sich keine Ölknappheit, jedoch gibt es in den Vereinigten Staaten einen Mangel an Raffineriekapazitäten. Man füllt kein Rohöl in den Tank, sondern Benzin, Diesel oder Kerosin. All das muss raffiniert werden, und genau da liegt der Engpass.

Eine Erhöhung der Zinssätze wird weder den Anbau von Pflanzen noch die Ölproduktion steigern

Die Verknappung einiger Raffinerieprodukte nimmt also zu und das ist auch der Grund für die aktuellen extrem hohen Preise. Die Transportkosten fließen zusätzlich in die Preise ein.

Was kann die Fed also dagegen tun? Nichts. Bohrt die Fed nach Öl? Betreibt die Fed eine Farm? Fährt die Fed einen Lastwagen? Lenkt die Fed ein Frachtschiff über den Pazifik oder verlädt Fracht im Hafen von Los Angeles? Nein, sie tut nichts von alledem und deshalb kann sie diesen Teil des Problems nicht lösen. Eine Anhebung der Zinssätze hat keine Auswirkungen auf die Engpässe auf der Angebotsseite, die wir beobachten. Und das ist der Grund für die Inflation.

Da die Fed die Krankheit falsch diagnostiziert hat, wendet sie die falsche Medizin an. Eine straffe Geldpolitik wird einen Angebotsschock nicht lösen. Solange die Versorgungsengpässe nicht behoben sind, werden die Preise weiter steigen. Eine straffe Geldpolitik wird jedoch den Verbrauchern schaden, die Sparquote erhöhen und die Hypothekenzinsen ansteigen lassen, was dem Wohnungsbau schadet.

Die Nachfrageseite

Dann gibt es noch die nachfrageseitige Inflation. Diese tritt auf, wenn die Menschen die Inflation in ihr alltägliches Verhalten einbauen, indem sie glauben, dass die Inflation bleiben wird. Käufe werden vorgezogen, da die Meinung vorherrscht, dass die Preise sowieso weiter steigen werden.

Die gleiche Logik gilt für den Kauf eines neuen Autos, eines neuen Hauses usw. Die Motivation, jetzt zu kaufen, beschleunigt die Nachfrage, weil die Verbraucher glauben, dass der Preis nur steigen kann. Diese Erwartungen können sich verselbstständigen und sich selbst verstärken, wenn die Menschen in die Läden strömen. Das Angebot kann nicht mithalten und die Preise steigen entsprechend. So weit sind wir noch nicht. Wir sind noch nicht an der Schwelle zum Nachfragesog, aber wir sind gefährlich nahe dran.

Werden Sie heute sofort loslaufen, um einen neuen Kühlschrank zu kaufen, weil Sie befürchten, dass der Preis steigt? Wahrscheinlich nicht. Sie sind sich der Preiserhöhungen sicherlich bewusst. Sie sehen sie an der Tankstelle und im Lebensmittelgeschäft. Aber zumindest bisher hat sich dieser Teil des Verhaltens nicht sehr verändert.

Das Heilmittel ist vielleicht schlimmer als die Krankheit

Die Fed kann kein Angebot schaffen, aber sie kann die Nachfrage zerstören. Wenn sie die Zinssätze weit genug anhebt, werden die Hypothekenzinsen steigen und mit ihnen die monatlichen Zahlungen. Die Menschen werden keine Häuser mehr kaufen und die Kreditkartensalden werden steigen, weil sie höhere Zinsen zahlen müssen. Die Finanzierung beginnt zu versiegen, was sich auf die gesamte Wirtschaft auswirkt. Die Fed kann also die Nachfrage zerstören, aber nur auf Kosten der Wirtschaft. Die Inflation kommt jedoch von der Angebotsseite und dagegen kann die Fed nichts unternehmen.

Sie kann genug Nachfrage zerstören, um die Inflation vielleicht zu senken, aber nur durch Zerstörung der Wirtschaft. Und genau das ist der Punkt: Die Vorstellung, dass die Fed die Inflation bekämpfen kann, ohne die Wirtschaft zu zerstören, ist falsch.

Ich fürchte, wir werden das auf die harte Tour herausfinden.