Die stärkste Waffe des Westens

  1. März 2022

Sehr geehrte Börsianerinnen und Börsianer,

da die NATO-Länder weitere Sanktionen gegen Russland verhängen, müssen wir uns auf die wirtschaftlichen Folgen für den Westen einstellen, wenn Putin darauf reagiert. Wie werden sich die Ölversorgung und die unterbrochenen Lieferketten auf die Weltwirtschaft auswirken, wenn dies geschieht? Diesen Fragen werden wir nachgehen.

Eine Welle der öffentlichen Unterstützung aus der ganzen Welt ermutigt die Ukraine in ihrem tapferen Widerstand. Amerikaner sympathisieren natürlich mit den Ukrainern. Wenn eine Armee eine souveräne Grenze überschreitet, unterstützen wir diejenigen, die ihre Familien und Gemeinden in einem unnötigen Angriffskrieg verteidigen. Unsere Gebete gehen an alle, die leiden.

Dennoch müssen Sie Ihr Portfolio schützen, besonders in Zeiten wie diesen. Betrachten wir ein wahrscheinliches Finanzmarktszenario, das auf den Ereignissen der vergangenen Woche und dem heutigen Stand der Dinge beruht.

Die Staats- und Regierungschefs der EU, der USA und der NATO haben ein Sperrfeuer an Wirtschafts- und Bankensanktionen ausgelöst. Aber sie sind naiv, wenn sie glauben, dass eine wirtschaftliche Abschottung Russlands keine schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für den Westen haben wird. Die führenden Politiker sollten ihren Wählern offen sagen, wie viel wirtschaftlichen Schaden Putin anrichten kann, wenn er in den kommenden Wochen zurückschlägt – vor allem durch die Öl- und Gasversorgung.

Mehr Öl- und Gaslieferungen zu niedrigeren Preisen sind der beste Weg, um ein Druckmittel gegen Putin zu erlangen, einen Mann, der bereit ist Zivilisten als Teil seines „Verhandlungsprozesses“ zu töten. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für die EU oder die USA, um die Wind- und Solaragenda nochmals stärker voranzutreiben.

Eine sofortige und drastische Steigerung der Öl- und Gasexploration wäre die wirksamste Waffe, um sich gegen Putin zu wehren. Dies wäre weitaus wirksamer und nachhaltiger als Bankensanktionen, die ein ungewisses weltweites finanzielles und wirtschaftliches Rückschlagrisiko bergen.

Bemühungen, das russische Finanzsystem zum Einsturz zu bringen, ignorieren eine offensichtliche Tatsache: Zahlungen gehen in die eine Richtung, Waren und Dienstleistungen in die andere. Im Falle Russlands geht es dabei vor allem um Energie und Lebensmittel. Jim Rickards hat dieses Thema in seinem Twitter-Feed behandelt. Anfang dieser Woche twitterte Jim Rickards:

„Aktien eröffnen mit großen Verlusten. Wer weiß, wie es danach weitergeht? Das ist nicht die Gefahr. Die Gefahr geht vom Bankensystem aus, von Interbankenkrediten, Eurodollars, Repo-Geschäften und anderen Hebelwirkungen, die auf der Besicherung von Schatzwechseln basieren. Es ist leicht, Russland zu zerschlagen. Es ist unmöglich, zu wissen, was als nächstes kommt.“

Um auf das Hauptthema zurückzukommen: Die Förderung einer höheren Energieproduktion in den USA ist nicht deshalb so wichtig, weil es ein beliebtes Argument der Republikaner ist. Es ist wichtig, weil die nackten Tatsachen zeigen, dass die Investitionen nicht ausreichen, um die weltweite Ölnachfrage bei den heutigen Preisen zu decken.

Dies gilt auch für Europa, wo man versäumt hat in die Öl- und Gasreserven zu investieren, die sich noch in der Nordsee befinden. Norwegen hat anständig investiert. Die Briten und die Niederländer haben sich jedoch ganz auf die Windenergie verlegt, so dass Öl und Gas in ihren Nordseesektoren ungenutzt bleiben.

Westliche Ölgesellschaften haben nicht genug in Bohrprojekte investiert, um mögliche Lieferausfälle seitens Russland auszugleichen. Banken, Ölhandelsfirmen und Raffinerien scheuen sich davor russisches Öl zu importieren. Das bedeutet, dass die Preise weiter steigen könnten, bis die Nachfrage zusammenbricht. Damit die Ölnachfrage so weit zurückgeht, dass sie dem starken Rückgang des verfügbaren Angebots entspricht, sind höhere Preise erforderlich.

Jim und ich haben die vergangene Woche damit verbracht, über die Ereignisse in der Ukraine und ihre Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu lesen und uns darüber auszutauschen. Wir denken über die Auswirkungen auf die Inflation nach, wenn viele Verbindungen in der globalen Lieferkette für Rohstoffe unterbrochen und umgelenkt werden. Die Schaffung neuer Verbindungen würde Zeit und Geld kosten.

So kann Deutschland beispielsweise nicht einfach mit den Fingern schnippen und das von seiner politischen Führung gewünschte Flüssiggas-Importterminal in Betrieb nehmen. Auch die USA können ihre LNG-Exportkapazitäten nicht so schnell erhöhen. Die Kapazitäten sind bereits sehr knapp bemessen. Kostenexplosionen bei LNG-Terminalbauprojekten haben Ingenieur- und Bauunternehmen in den Konkurs getrieben.

Der Bau weiterer LNG-Exportkapazitäten in den USA wäre sehr kostspielig. Als die Stahlpreise nur einen Bruchteil der heutigen Preise betrugen, war dies kaum machbar. Und heute? Die Vollkosten für die Gasverflüssigung müssten erheblich steigen, um die viel höheren Kosten für den Bau der Anlagen zu finanzieren.

Was ist mit dem Energietransport? Öltanker müssten möglicherweise viel mehr Meilen fahren, wenn Raffinerien in aller Welt kein russisches Rohöl mehr annehmen könnten. Die Raffinerien müssten möglicherweise investieren, um eine Änderung der Rohölsorten zu bewältigen. Die Pipelinenetze müssten neu konzipiert werden.

All dies ist nur der Anfang dessen, was für den Übergang zu einem weniger effizienten, stärker duplizierten und multipolaren globalen Rohstoffhandelssystem erforderlich wäre.

Was ist, wenn Russland zu einem Pariastaat wie Iran oder Venezuela wird und seine Rohstoffe auf dem Schwarzmarkt an autokratentolerante Käufer wie China verkaufen muss? Es ist ein offenes Geheimnis, dass China viel iranisches Öl auf dem Schwarzmarkt einführt, obwohl der Iran unter strengen internationalen Sanktionen steht.

Mein Punkt ist folgender: Wenn die heiklen, eng miteinander verflochtenen Handels- und Zahlungsbeziehungen rund um den Globus neu geordnet werden, wird das sehr teuer werden. Da gibt es nichts zu beschönigen. Die Duplizierung der Lieferketten würde ein Jahrzehnt oder länger dauern, die Grenzkosten der Produktion erhöhen und den Lebensstandard senken (vor allem durch Inflation).

Die gute Nachricht ist, dass die Volkswirtschaften nach einem langen Wiederaufbau- und Verlagerungsprozess widerstandsfähiger und weniger anfällig sein würden. Die schlechte Nachricht ist, dass dies sehr lange dauern und für viele ein schmerzhafter Prozess sein wird.

Außerdem müssen wir realistisch einschätzen, wie viel mehr Wirtschaftstätigkeit durch verschwenderische Staatshaushalte gelenkt werden kann. „Wir brauchen mehr Subventionen! Preiskontrollen! Darlehensbürgschaften! Und noch mehr!“, sagen die Kontrollfreaks, die in der Politik nur allzu oft an die Spitze gelangen.

Wenn es nur so einfach wäre. Leider ist es das nicht.