Märkte und Schwarze Schwäne

Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

ich befasste mich mit der Komplexitätstheorie, als ich mit Long Term Capital Management (LTCM) zu tun hatte – dem Hedgefonds, der 1998 zusammenbrach, nachdem die Strategien für den Derivatehandel katastrophal fehlgeschlagen waren.

Nach dem Zusammenbruch und der anschließenden Rettung unterhielt ich mich mit einem der LTCM-Partner darüber, was schiefgelaufen war. Ich kannte mich zwar mit Märkten und Handelsstrategien aus, war aber kein Experte für die hochtechnische angewandte Mathematik, die das Management bei der Ausarbeitung seiner Strategien verwendete. Der Partner, mit dem ich mich unterhielt, hatte einen hohen Abschluss in Mathematik. Ich fragte ihn, wie es möglich war, dass alle unsere Handelsstrategien gleichzeitig Geld verloren haben, obwohl sie in der Vergangenheit nicht korreliert waren. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Was da passiert ist, ist einfach unglaublich. Es war ein Ereignis mit einer Standardabweichung von sieben.“

In der Statistik wird eine Standardabweichung durch den griechischen Buchstaben Sigma symbolisiert. Selbst Nicht-Statistiker würden verstehen, dass ein Ereignis mit sieben Sigma selten klingt. Aber ich wollte wissen, wie selten so etwas war. Ich konsultierte einige technische Quellen und fand heraus, dass ein Sieben-Sigma-Ereignis weniger als einmal in einer Milliarde Jahren oder weniger als fünfmal in der Geschichte des Planeten Erde vorkommen würde.

Ich wusste, dass mein Partner richtig gerechnet hatte. Aber es war mir klar, dass sein Modell falsch sein musste. Extreme Ereignisse waren auf den Märkten 1987, 1994 und dann 1998 aufgetreten. Sie traten etwa alle vier Jahre auf. Ein Modell, das versucht, ein Ereignis zu erklären, das alle Milliarden Jahre auftritt, kann unmöglich das richtige Modell sein, um die Dynamik von etwas zu verstehen, das sich alle vier Jahre abspielt.

Nach dieser Begegnung begab ich mich auf eine zehnjährige Odyssee, um die richtige Analysemethode zum Verständnis des Risikos auf den Kapitalmärkten zu finden. Ich studierte Physik, Netzwerktheorie, Graphentheorie, Komplexitätstheorie, angewandte Mathematik und viele andere Gebiete, die auf verschiedene Weise mit der tatsächlichen Funktionsweise der Kapitalmärkte zusammenhängen.

Mit der Zeit erkannte ich, dass Kapitalmärkte komplexe Systeme sind und dass die Komplexitätstheorie – ein Zweig der Physik – der beste Weg ist, um Risiken zu verstehen, zu managen und Marktzusammenbrüche vorherzusehen. Ich begann über dieses Thema zu schreiben und zu referieren. Ich veröffentlichte mehrere Artikel in Fachzeitschriften.

Gemeinsam mit Partnern entwickelte ich Systeme, die die Komplexitätstheorie und verwandte Disziplinen nutzten, um geopolitische Ereignisse auf den Kapitalmärkten zu erkennen, bevor sie der Öffentlichkeit bekannt wurden.

Schließlich erhielt ich Einladungen, um an einigen der führenden Universitäten und Forschungsinstitutionen, die sich mit Komplexitätstheorie befassen, zu lehren und zu beraten. Darunter waren die Johns Hopkins University, die Northwestern University, das Los Alamos National Laboratory und das Applied Physics Laboratory.

In diesen Einrichtungen warb ich immer wieder für die Idee interdisziplinärer Bemühungen, um die tiefsten Geheimnisse der Kapitalmärkte zu lösen. Ich wusste, dass kein Fachgebiet alle Antworten hat, aber eine Kombination von Fachwissen aus verschiedenen Bereichen könnte zu Erkenntnissen und Methoden führen, die die Kunst des Finanzrisikomanagements voranbringen könnten.

Ich schlug vor, dass ein Team aus Physikern, Computermodellierern, angewandten Mathematikern, Juristen, Wirtschaftswissenschaftlern und Soziologen die theoretischen Modelle, die ich mit meinen Partnern entwickelt hatte, verfeinern und ein Programm für empirische Forschung sowie Experimente zur Validierung der Theorie vorschlagen könnte.

Diese Vorschläge wurden von den Wissenschaftlern, mit denen ich zusammenarbeitete, sehr begrüßt – von den Wirtschaftswissenschaftlern jedoch abgelehnt und ignoriert. Die führenden Wirtschaftswissenschaftler vertraten stets die Ansicht, dass sie von der Physik nichts zu lernen hätten und dass die Standardmodelle der Wirtschafts- und Finanzwelt eine gute Erklärung für die Wertpapierpreise und die Dynamik der Kapitalmärkte seien.

Wann immer prominente Wirtschaftswissenschaftler mit einem Sieben-Sigma-Marktereignis konfrontiert wurden, taten sie es als „Ausreißer“ ab und änderten ihre Modelle leicht ab, ohne jemals die Tatsache zu erkennen, dass ihre Modelle überhaupt nicht funktionierten.

Die Physiker hatten ein anderes Problem. Sie wollten an wirtschaftlichen Problemen mitarbeiten, waren aber selbst keine Finanzmarktexperten. Sie hatten ihre berufliche Laufbahn mit dem Studium der theoretischen Physik verbracht und wussten nicht unbedingt mehr über die Kapitalmärkte als der gewöhnliche Anleger.

Ich war ein ungewöhnlicher Teilnehmer in diesem Bereich. Die meisten meiner Mitarbeiter waren Physiker, die versuchten, die Kapitalmärkte zu verstehen. Ich war ein Kapitalmarktexperte, der sich die Zeit genommen hatte, sich mit der Materie Physik auseinanderzusetzen.

Einer der Teamleiter in Los Alamos, ein am MIT ausgebildeter Informatik-Ingenieur namens David Izraelevitz, sagte mir 2009, dass ich die einzige Person sei, die er kenne, die über fundierte Kenntnisse in den Bereichen Finanzen und Physik verfüge und diese so kombinieren könne, dass sie die Geheimnisse der Ursachen für den Zusammenbruch der Finanzmärkte lüften könne.

Ich nahm dies als großes Kompliment auf. Ich wusste, dass es Jahrzehnte dauern würde, bis eine vollständig entwickelte und getestete Theorie der Finanzkomplexität mit Beiträgen vieler Forscher zustande käme, aber ich war froh zu wissen, dass ich mit einem Fuß im Physiklabor und einem Fuß fest an der Wall Street einen Beitrag zu diesem Gebiet leisten würde. Meine Arbeit an diesem Projekt dauert bis heute an.

Dieser Ansatz steht in krassem Gegensatz zu den Standard-Gleichgewichtsmodellen, die die Fed und andere Mainstream-Analysten verwenden. Ein Gleichgewichtsmodell, wie es die Fed für ihre Wirtschaftsprognosen verwendet, besagt im Grunde, dass die Welt wie eine Uhr läuft. Von Zeit zu Zeit kommt es zu einer Störung, und das System gerät aus dem Gleichgewicht. Ist das der Fall, muss man nur politische Maßnahmen ergreifen, um das System wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Es ist, als würde man die Uhr wieder aufziehen. Das ist eine grobe Beschreibung dessen, was ein Gleichgewichtsmodell darstellt.

Leider funktioniert die Welt nicht auf diese Weise. Die Komplexitätstheorie und die komplexe Dynamik erklären es viel besser. Eine Notlage in einem Bereich der Finanzmärkte greift auf andere, scheinbar nicht miteinander verbundene Bereiche der Finanzmärkte über. In der Tat ist die Mathematik der finanziellen Ansteckung genau wie die Mathematik der Ansteckung mit Krankheiten oder Viren. Deshalb nennt man es auch Ansteckung. Das eine ähnelt dem anderen in Bezug auf die Art der Verbreitung.

Was sind Beispiele für die Komplexität? Eines meiner Lieblingsbeispiele ist das, was ich die Lawine und die Schneeflocke nenne. Es ist eine Metapher für die Art und Weise, wie die Wissenschaft tatsächlich funktioniert. Ich möchte jedoch klarstellen, dass es sich nicht nur um Metaphern handelt. Die Wissenschaft, die Mathematik und die Dynamik sind eigentlich dieselben wie auf den Finanzmärkten.

Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einem Berghang. Sie beobachten, wie sich auf dem Bergrücken eine Schneedecke aufbaut, während es weiter schneit und die Gefahr einer Lawine besteht. Sie sehen, wie eine Schneeflocke vom Himmel auf die Schneedecke fällt. Diese Schneeflocke wirbelt ein paar andere Schneeflocken auf, die in ihrem Umkreis liegen. Danach beginnt sich diese Bewegung auszubreiten und der Schnee beginnt zu rutschen. Anschließend gewinnt er an Schwung, bis er sich letztlich löst und der ganze Berghang herunterkommt und das Dorf unter sich begräbt.

Manche Leute bezeichnen diese Schneeflocken als „Schwarze Schwäne“, weil sie unerwartet und überraschend kommen. Jedoch sind sie eigentlich keine Überraschung, wenn man die Dynamik des Systems versteht und die Größe des Systems abschätzen kann. Die Frage ist, wem geben Sie die Schuld? Geben Sie der Schneeflocke die Schuld oder der instabilen Schneedecke?

Ich sage, die Schneeflocke ist irrelevant. Wenn es nicht die eine Schneeflocke war, die die Lawine ausgelöst hat, kann es auch die davor oder die danach oder die morgen sein. Die Instabilität des Systems als Ganzes war ein Problem. Wenn ich also über die Risiken im Finanzsystem nachdenke, konzentriere ich mich nicht auf die „Schneeflocke“, die Probleme verursachen wird. Der Auslöser spielt keine Rolle. Letztendlich geht es nicht um die Schneeflocken, sondern um die kritischen Ausgangsbedingungen, die eine Kettenreaktion oder eine Lawine auslösen können.

Sind Sie auf die nächste Lawine vorbereitet?

Die globale Energiekrise vernichtet unsere Existenzgrundlagen

Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

Der Krieg in der Ukraine zieht sich nun schon seit sechs Monaten hin und wird wahrscheinlich noch viele Monate oder sogar Jahre andauern, wenn die USA ihre Politik des „Kampfes bis zum letzten Ukrainer“ nicht beenden.

Die Aufmerksamkeitsspanne ist geschrumpft. Die Bevölkerung hat sich an die Energiepreisschocks gewöhnt (in der Tat sind die Energiepreise im letzten Monat stark gesunken). Es hat sich eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem Krieg eingestellt. Doch das ist ein großer Fehler. In Wirklichkeit stehen die schlimmsten wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges erst noch bevor.

Europa hat bei seinen Bemühungen um eine Diversifizierung der Energieversorgung weg von Russland völlig versagt. Es ist nicht viel zusätzliches Öl verfügbar. Auch Erdgas ist knapp, was zum Teil auf die Energiewende hin zu erneuerbaren Energieträgern zurückzuführen ist.

Inzwischen hat Putin die Erdgaslieferungen nach Westeuropa schrittweise reduziert. Deutschland verlässt sich auf seine Energiereserven, auch wenn der Winter naht und die russischen Lieferungen zurückgehen.

In Deutschland könnten nicht nur Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen werden, die Bevölkerung beginnt auch Brennholz zu horten. Deutschland ist auf dem Weg von der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt sowie einem der größten Exporteure von High-Tech-Geräten zu einer neolithischen Abhängigkeit von Kohle und Brennholz.

Politisches Gerede

Die Befürworter dieser Politik behaupten, dass die deutschen Gasspeicher zu 75 % gefüllt sind und dieses Ziel früher als geplant erreicht wurde. Das klingt wie eine gute Nachricht. Das Erreichen eines Ziels von 75 % vor dem Zeitplan klingt so, als ob Deutschland vor dem Winter in einer ziemlich guten Verfassung sein wird.

Doch die Fakten zeigen eine ganz andere Situation. Die deutsche Gasspeicherkapazität beträgt 23,3 Milliarden Kubikmeter. Tatsächlichen wurden im Jahr 2021 aber 100 Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht. Die Speichermenge deckt also gerade einmal ein Fünftel der erforderlichen Gasmenge ab. Mit anderen Worten: Das Speicherziel von 75 % entspricht 75 % von 20 % des tatsächlich verbrauchten Gases, also nur 15 % des benötigten Gases. Es verbleibt also ein Defizit von 85 %, das nur durch weitere Lieferungen aus Russland gedeckt werden kann.

Putin hat jedoch die Lieferungen bereits auf nur 20 % der eigentlichen Kapazität reduziert und wird sie in den kommenden Monaten möglicherweise noch weiter drosseln. Deutschland steuert also immer noch auf eine Energiekrise zu.

Aber es ist den Preis wert!

Die Befürworter von Sanktionen behaupten, sie seien notwendig, um Russland wirtschaftlich zu schaden. Das ist in Ordnung, aber Russland hatte wenig Schwierigkeiten, seine Erdöl- und Erdgasexporte auf willige Abnehmer, darunter Indien und China, umzulenken.

Es gibt zwar einige logistische Probleme und Russland hat auf Preisnachlässe zurückgegriffen, aber der Energiefluss aus Russland hält an. Ebenso der Geldfluss nach Russland in Höhe von 21 Milliarden Dollar pro Monat. Dies gibt Russland die Möglichkeit, die Energielieferungen nach Westeuropa zu unterbrechen, ohne seine eigene Wirtschaft zu schädigen.

Irgendwann in diesem Winter wird Deutschland die Produktion einstellen müssen, das wenige verfügbare Erdgas rationieren und die Verbraucher auffordern, die Heizungen herunterzudrehen. Das ist ein trauriger Zustand für eine große Volkswirtschaft, aber so ist es eben, wenn Ideologen im Amt sind.

Es gibt noch eine weitere Lektion, die man hier lernen kann: Radikale „grüne“ Politik ist realitätsfern und oft destruktiv.

Grüne Energie: Ein Triumph der Ideologie über die Realität

Klimaalarmisten behaupten seit Jahren, dass wir die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas beenden und auf Elektrofahrzeuge, Windturbinen, Sonnenkollektoren und andere Formen erneuerbarer Energie umsteigen müssten.

Länder wie Deutschland haben sich stetig in diese Richtung bewegt, um ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen so schnell wie möglich zu beenden. Aber Wind- und Sonnenenergie können ihren Energiebedarf unmöglich decken. Nur fossile Brennstoffe können den Energiebedarf einer modernen Wirtschaft decken. Die Kernkraft könnte eine Lösung sein, aber viele Klimaaktivisten wollen auch keine Kernkraft.

Außerdem sind Ladestationen für Elektrofahrzeuge (EV) stark von fossilen Brennstoffen abhängig. Wenn man die Umweltauswirkungen des Abbaus der Edelmetalle, die für die Batterien von Elektrofahrzeugen benötigt werden, des Transports zu den Produktionsstätten und der fossilen Brennstoffe, die für den Betrieb der Ladestationen benötigt werden, bedenkt, sind Elektrofahrzeuge alles andere als umweltfreundlich. In einer MIT-Studie wurde beispielsweise festgestellt, dass der Batterie- und Kraftstoffbedarf eines E-Fahrzeugs höhere Emissionen verursacht als die Herstellung eines herkömmlichen Fahrzeugs.

Wenn Sie glauben, dass radikale Umweltschützer „Baumschützer“ sind, sollten Sie nochmal genau hinschauen. In Schottland werden 14 Millionen Bäume abgeholzt, um Platz für Windparks zu schaffen. Bäume absorbieren CO2, wenn sie also so besorgt über Kohlenstoffemissionen sind, sollten sie Bäume pflanzen, anstatt sie zu fällen.

Windkraftanlagen, von denen die meisten in China hergestellt werden, zerstören auch die Tierwelt. Man schätzt, dass allein in den USA jedes Jahr über eine Million Vögel durch Windkraftanlagen getötet werden. Abgesehen davon, hat dies auch erhebliche Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme. Und wofür?

Globale Hungersnot

Doch die drohende Energieknappheit ist nicht das einzige vom Menschen verursachte Fiasko, das uns bevorsteht. In diesem Herbst wird es zu Nahrungsmittelengpässen und in einigen Fällen zu Hungersnöten kommen, wenn die Erntevorräte aus 2021 aufgebraucht sind und die Ernte aus 2022 nicht geliefert wird, weil sie entweder wegen des Krieges (oder wegen Düngermangels) nicht angebaut wurde oder wegen des Krieges nicht geliefert werden kann.

Diese Nahrungsmittelknappheit wird sich am stärksten auf der südlichen Halbkugel auswirken, wo die Mehrheit der Menschen ohnehin schon mit dem Existenzminimum zu kämpfen hat.

Eine solche massive Nahrungsmittelknappheit könnte auch eine weitere globale Migrationskrise auslösen, da verzweifelte Menschenmassen in den wohlhabenden Ländern Hilfe suchen. Wenn Sie glauben, dass wir bereits jetzt eine Migrationskrise haben, dann warten Sie ab. Im Dunkeln zu frieren und zu verhungern ist kein Ausblick, den man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Leider könnte genau das im November dieses Jahres in vielen Teilen der Welt bevorstehen. Tragischerweise war das alles vermeidbar.

Die Fed wird Benzin ins Feuer gießen

Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

vergessen Sie das fröhliche Gerede aus dem Weißen Haus und den Mainstream-Medien: Die USA befinden sich bereits in einer Rezession. Sie können es so oft sie wollen versuchen, eine Rezession neu zu definieren, letztlich wird es keine Rolle spielen.

Wenn Sie ein regelmäßiger Leser meiner Artikel sind, dann wussten Sie, dass dieser Moment kommen würde, denn ich habe es seit Monaten vorhergesagt – jetzt ist es bestätigt. Das US-Handelsministerium berichtete, dass das BIP im ersten Quartal 2022 um 1,6 % und im zweiten Quartal um 0,9 % gesunken ist. Dies entspricht der Standarddefinition einer Rezession als zwei aufeinanderfolgende Quartale mit rückläufigem BIP.

Ob Sie es glauben oder nicht: Es gibt keine offizielle Regierungsbehörde, die eine Rezession ausruft. Diese Aufgabe wird in den USA von einer privaten Gruppe namens National Bureau of Economic Research (NBER) übernommen. Das NBER ist ein privates Gremium, das sich aus neun akademischen Wirtschaftswissenschaftlern zusammensetzt, die sich in Cambridge, Massachusetts, in der Nähe der Universitäten Harvard und dem MIT treffen.

Warten Sie daher nicht unbedingt auf eine Entscheidung des NBER. Die meisten Rezessionen dauern nur zwei oder vielleicht drei Quartale. In vielen Fällen wartet das NBER mit der Erklärung einer Rezession so lange, dass sie schon vorbei ist, bevor überhaupt das Anfangsdatum bekannt gegeben wurde.

Angesichts der Tatsache, dass die NBER-Mitglieder die Prioritäten der Demokraten vertreten und die Zwischenwahlen bevorstehen, erwarte ich nicht, dass das NBER den Beginn der Rezession zeitnah auf den Januar letzten Jahres festsetzen wird – zumindest nicht vor den Wahlen.

„Wem werden Sie glauben, mir oder Ihren eigenen Augen?“

Diese Formalitäten und Verzögerungen haben es Beamten der Biden-Regierung wie der US-Finanzministerin Janet Yellen ermöglicht zu sagen, dass sich die USA in keiner Rezession befinden. Sie berufen sich auf die Tatsache, dass nicht einmal das NBER inoffiziell eine Rezession festgestellt hat.

Inzwischen sind die Beweise für eine Rezession überall um uns herum zu finden. Es ist wie in dem alten Marx-Brothers-Spruch: „Wem wollen Sie glauben, mir oder Ihren eigenen Augen?“ In dieser Frage sollten Sie nicht auf Yellen hören, sondern Ihren eigenen Augen glauben. Man wird Ihnen weismachen wollen, dass die Wirtschaft im letzten Monat 528.000 neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Dieser Zahl kann man aber nicht trauen. Sie ist hauptsächlich das Ergebnis von saisonalen Anpassungen, die die tatsächliche Schaffung von Arbeitsplätzen künstlich aufblähen. Es handelt sich um eine statistische Zahl, die die Realität nicht widerspiegelt.

Außerdem handelte es sich bei 303.000 um Teilzeitstellen, die viele regulär beschäftigte Amerikaner annehmen, um mit der Inflation Schritt zu halten. Es stimmt, dass die Nominallöhne um 5,8 % gestiegen sind. Aber nach 9,1 % Inflation sind die Reallöhne um 3,3 % gesunken. Das hört sich für mich nicht nach einer florierenden Wirtschaft an.

 

 

Die schlimmstmögliche Politik

In der Zwischenzeit haben die Demokraten versucht, im Vorfeld der Zwischenwahlen im November eine politische Antwort auf die (Nicht-)Rezession zu finden. Es überrascht nicht, dass es ihnen gelungen ist, die denkbar schlechteste Politik zu entwickeln.

Der Gesetzentwurf, den die Demokraten im US-Senat am Wochenende verabschiedet haben (mithilfe von Vizepräsidentin Kamala Harris, die die Pattsituation mit ihrer Stimme aufgehoben hat), ist eine aufgewärmte Version von Build Back Better. Erinnern Sie sich an diese Niete? Seit Anfang 2021 wurde das Build-Back-Better-Hilfspaket von 4 Billionen Dollar auf 2 Billionen Dollar auf jetzt etwas weniger als 1 Billion Dollar reduziert. Es enthält jedoch immer noch die Elemente des Green New Deals zusammen mit Preiskontrollen und neuen Almosen.

Die Demokraten haben beschlossen, dass sie für ihre Geschenke „bezahlen“ müssen, also werden sie natürlich die Steuern erhöhen. Es überrascht daher nicht, dass der Gesetzentwurf die Einstellung von 87.000 Steuerbeamten vorsieht. Und nicht nur das, sie werden auch Aktienrückkäufe von Unternehmen besteuern.

Steuererhöhungen in einer Rezession sind ein guter Weg, um eine Rezession in eine Depression zu verwandeln. Vielleicht nennen sie den Gesetzentwurf deshalb „The Inflation Reduction Act“. Die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen, ist ein todsicheres Rezept, um die Inflation zu bekämpfen. Gleichzeitig ist die Besteuerung von Aktienrückkäufen ein gutes Mittel, um den Aktienmarkt zu schädigen. Es sieht so aus, als ob diese schädliche Gesetzgebung bald beides tun könnte.

Geldverknappung auf Steroiden

In der Zwischenzeit hat sich der Aktienmarkt seit der jüngsten Zinserhöhung der Fed am 27. Juli allgemein erholt. Das liegt daran, dass die Wall Street der Meinung ist, dass das Schlimmste hinsichtlich der Zinserhöhungen vorbei ist und dass die Fed Anfang nächsten Jahres mit der Lockerung beginnen wird. Aber wird sie das tun? Die Fed führt eine aggressive Kampagne von Zinserhöhungen und einer weiteren Straffung der Geldpolitik durch quantitative Straffung (QT).

Die Fed hat die Zinssätze im März um 0,25 %, im Mai um 0,50 % und im Juni sowie Juli um 0,75 % erhöht. Damit stiegen die Zinsen in weniger als fünf Monaten von 0,0 % auf 2,25 %. Das ist das schnellste Tempo von Zinserhöhungen seit Anfang der 1980er-Jahre. Die Zinserhöhung im Juni war die erste Anhebung um 0,75 % seit 1994.

Die Verringerung der Basisgeldmenge um etwa 1 Billion Dollar pro Jahr hat schätzungsweise die gleiche Wirkung wie eine weitere Zinserhöhung um 1 %. Zusammengenommen ist das, was wir hier erleben, eine Geldverknappung auf Steroiden.

Die Wall Street glaubt, dass die lockere Geldpolitik zurückkommt

Analysten an der Wall Street kamen kürzlich zu dem Schluss, dass die Fed ihre Zinserhöhungen bald reduzieren und Anfang nächsten Jahres sogar mit Zinssenkungen beginnen wird. Diese Kehrtwende der Fed wird als „Pivot“ bezeichnet und ist einer der Gründe für die Erholung des Aktienmarktes nach der letzten Zinserhöhung am 27. Juli.

Die Pivot-Theorie begann mit der Tatsache, dass sowohl die Renditekurve der US-Staatsanleihen als auch die Kurve der Eurodollar-Futures invers sind. Ich möchte hier nicht zu technisch werden, aber eine Umkehrung bedeutet, dass die Kurven Zinssenkungen in der Zukunft anzeigen. Solche Zinsstrukturkurven sind normalerweise aufwärts geneigt, was bedeutet, dass die längerfristigen Zinssätze höher sind als die kurzfristigen. Die Renditekurve der US-Staatsanleihen geht etwa bei der zweijährigen Laufzeit in einen Abwärtstrend über. Die Eurodollar-Futures deuten auf eine Umkehrung der Tagesgeldzinsen bereits ab März nächsten Jahres hin.

Fed-Vorsitzender Powell goss auf seiner Pressekonferenz am 27. Juli Öl ins Feuer der Zinswende. Er vermied zwar Zinsprognosen, sagte aber, dass die Zinssätze seiner Meinung nach bis zum Jahresende in etwa dort liegen könnten, wo die „Dots“ (Fed-Prognosen) sie erwarten lassen. Die Prognose liegt derzeit bei 3,50 % am 31. Dezember. Das bedeutet weitere Zinserhöhungen um 1,25 %.

In diesem Jahr finden noch drei Fed-Sitzungen statt – am 21. September, 2. November und 14. Dezember. Man muss kein Mathegenie sein, um zu erkennen, dass Powell Zinserhöhungen von 0,50 % im September, 0,50 % im November und 0,25 % im Dezember erwartet. Das sind zwar weitere Erhöhungen, aber sie fallen geringer aus als im Juni und Juli. Setzt man diesen Trend weiter fort, dann deutet dies auf eine Pause im Zinserhöhungszyklus Anfang nächsten Jahres hin, gefolgt von Zinssenkungen.

Erwarten Sie keine Kehrtwende

Es gibt ein ernsthaftes Hindernis, das dem geldpolitischen Schwenk im Weg steht. Die bereits erwähnten Arbeitsmarktzahlen für Juli sind inzwischen veröffentlicht worden. Sie werden der Fed eine weitere Rechtfertigung für die Fortsetzung der aggressiven Straffung liefern. Die Fed geht davon aus, dass sie, wenn die Wirtschaft auch nach ihren jüngsten Maßnahmen immer noch viele neue Arbeitsplätze schafft, die Geldpolitik weiter aggressiv straffen kann, um die Inflation einzudämmen.

Das gibt der Fed die Hoffnung, dass sie eine „weiche Landung“ hinbekommt, bei der sie die Inflation drosseln kann, ohne eine Rezession auszulösen.

Damit verschiebt sich meine Prognose für die Zinserhöhung im September wieder auf 0,75 %. Die Fed glaubt (fälschlicherweise), dass sie grünes Licht für weitere aggressive Zinsschritte hat. Und nur weil die Wall Street eine Zinssenkung zu Beginn des nächsten Jahres wünscht, heißt das nicht, dass sie diese auch bekommen wird. Die Fed macht sich im Moment mehr Sorgen um die Inflation als um den Aktienmarkt.

Die Realität ist, dass die Rezession trotz der gegenteiligen Meinung der Fed bereits da ist, dass die geplanten Zinserhöhungen sie noch verschlimmern werden und dass die Fed die Geldpolitik weiter straffen wird, bis die Rezession noch viel schlimmer wird.

Das wird die Aktienkurse von ihrem derzeitigen Niveau aus steil nach unten fallen lassen. Die US-Notenbank Fed wird umschwenken, aber erst, wenn es viel zu spät ist, um den Aktienmarkt zu retten.

Die Wahrheit über „Schwarze Schwäne“

Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

was den Anlegern vielleicht nicht bewusst ist, ist das Ausmaß, in dem heutzutage Anlageentscheidungen vollständig dem Computer überlassen werden. Ich spreche nicht von automatisierten Handelsgeschäften, bei denen ein Computer Aufträge abgleicht und den Handel ausführt. Diese Art des Handels gibt es schon seit den 1990er Jahren. Ich spreche von Computern, die auf der Grundlage von Algorithmen die Portfolioallokation sowie die Kauf- und Verkaufsentscheidungen eigenständig treffen, ohne dass ein Mensch daran beteiligt ist. Das ist heute die Norm.

80 Prozent des Aktienhandels sind heute automatisiert, entweder in Form von Indexfonds (60 %) oder quantitativen Modellen (20 %). Das bedeutet, dass das aktive Investieren, bei dem man die Allokation und den Zeitpunkt selbst bestimmt, nur noch 20 % des Marktes ausmacht. Aber selbst aktive Anleger erhalten eine automatisierte Ausführung. Insgesamt ist der Anteil des menschlichen Market Making im traditionellen Sinne auf etwa 5 % des gesamten Handelsvolumen gesunken. Dieser Trend ist das Ergebnis von zwei intellektuellen Irrtümern.

Der erste ist die Vorstellung, dass man den Markt nicht schlagen kann. Das treibt die Anleger zu Indexfonds, die sich dem Markt anpassen. Die Wahrheit ist, dass man den Markt mit guten Modellen schlagen kann, aber es ist nicht einfach.

Der zweite Trugschluss lautet, dass die Zukunft über einen langen Zeitraum der Vergangenheit ähneln wird, so dass traditionelle Aufteilungen von beispielsweise 60 % Aktien, 30 % Anleihen und 10 % Bargeld gute Dienste leisten werden. Die Akteure an der Wall Street sagen Ihnen jedoch nicht, dass ein Börsencrash von 50 % oder mehr – wie in den Jahren 1929, 2000 und 2008 – Sie kurz vor Ihrem Renteneintritt in den Ruin treiben könnte.

Es gibt eine noch größere Gefahr, die selten in Betracht gezogen wird. In einem Bullenmarkt verstärkt diese Art des passiven Investierens den Aufwärtstrend, da sich Indexierer in gefragte Aktien stürzen, wie es beispielsweise bei Google und Apple der Fall war. Doch ein kleiner Ausverkauf kann zu einer Massenpanik werden, wenn passive Anleger ohne Rücksicht auf die Fundamentaldaten einer bestimmten Aktie auf einmal den Ausstieg suchen.

Passive Anleger würden nach aktiven Anlegern Ausschau halten, die den Kursrutsch zum Kauf nutzen. Das Problem ist, wenn Anleger nur noch passiv investieren, dann würde es keine aktiven Anleger mehr geben, oder zumindest nicht genug, um den Kursrutsch aufzuhalten. Die Aktienkurse würden geradewegs nach unten fallen. Der Zusammenbruch des Marktes würde in diesem Fall wie ein unkontrollierbarer Zug sein, der nicht mehr zu bremsen ist.

Es geht um Komplexität, und der Markt ist ein Beispiel für ein komplexes System. Eine formale Eigenschaft komplexer Systeme besteht darin, dass die Tragweite des schlimmsten Ereignisses, das eintreten kann, eine Exponentialfunktion der Systemgröße ist. Das bedeutet, dass sich das Systemrisiko bei einer Verdoppelung der Systemgröße nicht gleichermaßen verdoppelt, sondern um den Faktor 10 oder mehr steigen kann.

Diese Art von einem plötzlichen, unerwarteten Zusammenbruch, der aus dem Nichts aufzutauchen scheint, steht völlig im Einklang mit den Vorhersagen der Komplexitätstheorie. Eine zunehmende Marktgröße korreliert mit exponentiell größeren Marktzusammenbrüchen.

Das ist die Welt des automatisierten Investierens. Sie wird in einer Katastrophe enden.

China, ein Drache auf dem Papier

Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

wenn Sie immer noch davon ausgehen, dass China ein finanzieller und wirtschaftlicher Moloch ist, der dazu bestimmt ist, die USA bei der Gesamtproduktion zu überholen und schließlich die Welt zu beherrschen, ist es an der Zeit, diese Vorstellung beiseite zu legen. Nichts davon ist wahr.

Zunächst einmal steht China vor dem größten demografischen Zusammenbruch in der Weltgeschichte, schlimmer als der Schwarze Tod des 14. Jahrhunderts und die Spanische Grippe von 1918. Chinas Bevölkerung summiert sich derzeit auf etwa 1,4 Milliarden Menschen, aber diese Zahl wird bis zum Jahr 2090 auf vielleicht 800 Millionen schrumpfen. Das ist ein Rückgang um 600 Millionen Menschen. Wenn eine Volkswirtschaft nichts anderes ist als die Zahl der Beschäftigten und die durchschnittliche Produktivität dieser Beschäftigten, dann reicht allein dieser demografische Zusammenbruch schon aus, um China in die Knie zu zwingen.

Doch das ist noch nicht alles. Der durchsetzungsfähige Kommunismus von Xi Jinping zerstört jede noch so kleine Spur von Kapitalismus, die sich in den Jahrzehnten seit Deng Xiaopings Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft im Jahr 1979 herausgebildet haben mag.

Auch die Aktienblase ist am Platzen. Hinzu kommt Chinas gescheiterte Null-Covid-Politik, die das Wachstum zerstört, um das unmögliche Ziel der COVID-Bekämpfung zu erreichen, indem große Städte scheinbar willkürlich für längere Zeiträume abgeriegelt werden. International agierende Unternehmen sind bereits dabei, ihre Lieferketten von China nach Vietnam und anderen südasiatischen Ländern zu verlagern. Wenn diese Lieferketten einmal verlagert sind, werden sie für mindestens 10 Jahre nicht mehr nach China zurückkehren. Dies sind dauerhafte Verluste für die chinesische Wirtschaft.

Kurz gesagt, China hat ernsthafte strukturelle wirtschaftliche Probleme und interne Widersprüche, die das Land letztlich einholen werden. Wird China in der Lage sein diesem Gegenwind standzuhalten? Nicht ohne Weiteres, wenn überhaupt.

„Chinesische Märkte“ ist eines der großen Oxymora. In China gibt es keine Märkte. Alles ist streng reguliert und manipuliert (im besten Fall) oder ein kompletter Betrug (im schlimmsten Fall). So verzeichnet China beispielsweise hohe BIP-Zahlen mit gelegentlichen Ausreißern wie während der Pandemie 2020 oder der globalen Finanzkrise im Jahr 2008. Das chinesische BIP besteht jedoch zu 45 % aus Investitionen (25 % sind typisch für andere große Volkswirtschaften) und 50 % dieser 45 % werden verschwendet.

Bei der Investitionskomponente handelt es sich allerdings um schlecht getarnte Staatsausgaben – viele der Unternehmen, die in große Infrastrukturprojekte investieren, werden direkt oder indirekt von der Regierung über die Banken finanziert.

Diese Investitionen sind schuldenfinanziert. China ist so hoch verschuldet, dass es jetzt an einem Punkt angelangt ist, an dem neue Schulden kein Wachstum mehr generieren. Eine weiter steigende Verschuldung verlangsamt das Wirtschaftswachstum und stellt die Fähigkeit Chinas in Frage, seine bestehenden Schulden zu bedienen.

Rund die Hälfte der Investitionen Chinas sind reine Verschwendung. Es werden zwar Arbeitsplätze geschaffen und Vorleistungen wie Zement, Stahl, Kupfer und Glas verwendet, aber das fertige Produkt, sei es eine Stadt, ein Bahnhof oder eine Sportarena, ist oft ein Weißer Elefant, der ungenutzt bleibt.

Die chinesische Landschaft ist nach wie vor übersät mit „Geisterstädten“, die das Ergebnis von Chinas vergeudeten Investitionen und fehlerhaftem Entwicklungsmodell sind. Noch schlimmer ist, dass diese Weißen Elefanten mit Schulden finanziert werden, die niemals zurückgezahlt werden können.

Die Instandhaltung, die erforderlich ist, um diese Weißen Elefanten in brauchbarem Zustand zu halten, sollte die Nachfrage in Zukunft wider Erwarten steigen, wurde nicht berücksichtigt. Zieht man die Verschwendung vom ausgewiesenen BIP-Wachstum ab, stellt man fest, dass das tatsächliche BIP-Wachstum eher bei 3 % als bei den von China angegebenen 6 % liegt.

Im Grunde genommen befindet sich China in einem Dilemma, aus dem es keinen zufriedenstellenden Ausweg gibt. Das Wachstum wurde mit übermäßigen Krediten, vergeudeten Infrastrukturinvestitionen und Schneeballsystemen angekurbelt, die allesamt auf lange Sicht nicht produktiv sind.

Inzwischen liegt das Pro-Kopf-Einkommen in China bei unter 12.000 Dollar pro Person, verglichen mit einem Pro-Kopf-Einkommen von etwa 64.000 Dollar in den Vereinigten Staaten. Anders ausgedrückt: Die USA sind brutto nur 38 % reicher als China, aber pro Kopf sind es 500 %.

Am wichtigsten ist jedoch, dass China mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 12.000 Dollar genau in der von Entwicklungsökonomen definierten „Falle des mittleren Einkommens“ feststeckt. Der Weg vom niedrigen Einkommen (ca. 5.000 Dollar pro Kopf) zum mittleren Einkommen (ca. 10.000 Dollar pro Kopf) ist recht einfach und beinhaltet vor allem eine Verringerung der Korruption, ausländische Direktinvestitionen und die Abwanderung vom Land in die Städte, um dort Arbeitsplätze im Montagebereich zu schaffen.

Der Weg von einem mittleren Einkommen zu einem hohen Einkommen (ca. 20.000 Dollar pro Kopf) ist viel schwieriger und erfordert die Entwicklung und den Einsatz von Hochtechnologie sowie die Herstellung von Waren mit hohem Mehrwert.

Von den Entwicklungsländern (mit Ausnahme der Ölproduzenten) haben seit dem Zweiten Weltkrieg nur Taiwan, Hongkong, Singapur und Südkorea diesen Übergang erfolgreich vollzogen. Alle anderen aufstrebenden Volkswirtschaften in Lateinamerika, Afrika, Südasien und dem Nahen Osten, darunter auch Giganten wie Brasilien und die Türkei, verharren in den Rängen der mittleren Einkommen.

China ist nach wie vor auf Arbeitsplätze im Fließbandstil angewiesen und hat keine Aussichten auf den Durchbruch zu den hohen Einkommensschichten. Um der Falle des mittleren Einkommens zu entkommen, braucht es mehr als billige Arbeitskräfte und Infrastrukturinvestitionen. Es bedarf angewandter Technologie, um Produkte mit hoher Wertschöpfung herzustellen. Dies erklärt, warum sich China immer so sehr darauf konzentriert hat, geistiges Eigentum aus den USA zu stehlen.

China hat nicht viel Kapazität gezeigt, um selbst Hochtechnologie zu entwickeln, aber es war recht effektiv darin, solche Technologie von Handelspartnern zu stehlen und sie durch sein eigenes System von Staatsbetrieben anzuwenden. Die USA und andere Länder sind jedoch gegen den Technologiediebstahl Chinas vorgegangen. China ist also nicht in der Lage die benötigte Technologie durch eigene Forschung und Entwicklung zu entwickeln.

Kurz gesagt: Trotz des enormen jährlichen Wachstums in den letzten 20 Jahren bleibt China im Grunde ein armes Land, das nur begrenzt in der Lage ist, den Wohlstand seiner Bürger über das bereits Erreichte hinaus zu verbessern. Und das hat ernste Konsequenzen für Chinas Führung. Bei Chinas Wirtschaft geht es nicht nur um die Bereitstellung von Arbeitsplätzen, Waren und Dienstleistungen. Es geht um das Überleben des Regimes der Kommunistischen Partei Chinas, die sich einer existenziellen Krise gegenübersieht, wenn sie nicht liefert.

Sie wird nur so lange an der Macht bleiben, wie sie Arbeitsplätze und einen steigenden Lebensstandard für das chinesische Volk schafft. Das oberste Gebot der chinesischen Führung ist es, Unruhen in der Gesellschaft zu vermeiden.

Sollte Chinas Job-Maschine kollabieren, wie es während des Ausbruchs des Coronavirus der Fall war, befürchtet Peking, dass es zu Volksunruhen kommen könnte, die möglicherweise ein viel größeres Ausmaß annehmen als die Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989. Dies ist eine existenzielle Bedrohung für die kommunistische Macht.

Präsident Xi Jinping könnte schnell das verlieren, was die Chinesen „das Mandat des Himmels“ nennen. Dieser Begriff beschreibt das immaterielle Wohlwollen und die Unterstützung des Volkes, die die Kaiser in den letzten 3.000 Jahren benötigten, um China zu regieren. Wenn das Mandat des Himmels verloren geht, kann ein Herrscher schnell stürzen.

Die chinesische Führung weiß das, deshalb muss sie die Wachstumsmaschine auf Hochtouren laufen lassen, um Arbeitsplätze für Millionen von Migranten zu schaffen, die vom Land in die Stadt ziehen und um die Arbeitsplätze für die Millionen von Menschen zu erhalten, die bereits in den Städten leben.

Im Grunde genommen steckt China in einem Dilemma, aus dem es keinen guten Ausweg gibt. Die beiden Möglichkeiten, um die aufgebauten Schulden loszuwerden sind Deflation (die zu Abschreibungen, Konkursen und Arbeitslosigkeit führt) oder Inflation (die zu einem Kaufkraftverlust führt, ähnlich einer Steuererhöhung).

Beide Alternativen sind für die Kommunisten inakzeptabel, da ihnen die politische Legitimität fehlt, um entweder Arbeitslosigkeit oder Inflation zu ertragen. Beide Maßnahmen würden zu sozialen Unruhen führen und revolutionäres Potenzial freisetzen.

Es gibt noch mehr zu berichten, aber das sollte ausreichen, um jeden Anleger davon zu überzeugen, dass China ein Markt ist, von dem man die Finger lassen sollte. Wenn Sie in China investiert sind, ist es eine gute Idee auszusteigen, bevor es zu spät ist.

China ist im Wesentlichen ein Papierdrache.