Handelskrieg: Bringen neue Verhandlungen die Wende für den Aktienmarkt?

Lieber Börsianer, 

endlich redet man wieder miteinander! Derzeit befindet sich der chinesische Chefverhandler Liu He in Washington und ringt mit dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer um einen Kompromiss im zuletzt ausgeuferten Handelskrieg zwischen China und den USA. 

Der Druck, der auf beiden Seiten lastet, ist enorm. In den USA machen vor allem die Wirtschaftsverbände, aber auch führende Republikaner Druck auf den US-Präsidenten. Man will jetzt endlich eine Annäherung sehen und das leidige Thema von der Agenda nehmen. 

Vor allem die US-Industrie leidet unter den neuen Sonderzöllen: Dort ist die Stimmung so schlecht wie seit 2009 nicht mehr. Auch der Beschäftigungsaufbau in den Unternehmen der Industrie-Branchen stagniert bereits seit Anfang des Jahres. Derzeit arbeiten rund 12,9 Millionen US-Amerikaner im verarbeitenden Gewerbe und damit kaum mehr als im Januar 2019.  

Peking zeigte sich in einigen Detailfragen zuletzt konziliant und erhöhte etwa das Kontingent für Exporte von Sojabohnen für die Farmer des Mittleren Westens. China ist unverändert auf Agrarexporte aus den USA angewiesen. Der wichtige Agrarerzeuger Brasilien kann aufgrund des enormen Lieferwegs nur teilweise in die Bresche springen, sofern die US-Lieferungen ausfallen.  

Berichtsaison in den USA beginnt 

Unterstellen wir einmal, dass die aktuellen Handelsgespräche eine positive Wendung nehmen werden. Geht dann der Aktienmarkt endlich wieder steil? 

Ohne Frage würde eine nachhaltige Entspannung im Handelskrieg dem Aktienmarkt sehr helfen. Freilich würden wir damit nur ungefähr zum Normalzustand zurückkehren. Zusätzliche Wachstumsimpulse werden dadurch nicht freigesetzt.  

Ich warne außerdem davor, das Thema Handelskrieg als alleinigen Bestimmungsfaktor für den Aktienmarkt zu begreifen. So läuft in der kommenden Woche die Berichtsaison in den USA allmählich an. Dann kommt Butter bei die Fische und wir erhalten einen ersten Fingerzeig wie die US-Unternehmen im 3. Quartal abgeschnitten haben. Zunächst liefern die wichtigen US-Banken wie Citigroup, BlackRock oder JP Morgan Chase. Außerdem öffnen IBM, Netflix und Johnson & Johnson ihre Bücher.  

Die Erwartungen der Marktteilnehmer an das Zahlenwerk der US-Unternehmen ist naturgemäß gedämpft, und ich sehe durchaus Potenzial für positive Überraschungen. Bleiben diese Überraschungen freilich aus, hilft es uns als Börsianer auch wenig, wenn Washington und Peking den Handelskrieg beilegen werden.  

Denn am Ende gilt an der Börse eine einfache Regel: Nackte (Unternehmens)zahlen wiegen immer schwerer als politische Maßnahmen.  

Lassen Sie uns optimistisch denken! Möglicherweise schaltet sich sogar Donald Trump noch in die Verhandlungen ein. Vielleicht erscheint er sogar zum Abschluss der Verhandlungsrunde gemeinsam mit Liu He vor der Kamera und feiert die Chinesen als seine neuen Freunde. Und gleich in der nächsten Woche liefern Netflix und Co. vernünftiges Zahlenwerk und brauchbare Ausblicke.  

Dann wird der Aktienmarkt tatsächlich wieder steil gehen. 

DAX nimmt Verschnaufpause – Osram im Fokus

Lieber Börsianer, 

der DAX hat sich in der vergangenen Woche eine kleine (technische) Verschnaufpause genommen und knapp 1 % verloren.  Gleichwohl tendierte der deutsche Aktienmarkt im September sehr freundlich und legte auf Monatssicht über 5 % zu. Schwächer präsentierten sich die Technologie-Aktien des NASDAQ 100. Der US-Index verlor zur Vorwoche fast 2 %.  

Ursächlich für die Schwäche der Tech-Titel waren vor allem die schwachen Geschäftszahlen bzw. der sehr vorsichtige Ausblick des Chip-Herstellers Micron Technology. Das US-Unternehmen musste im vergangenen Quartal saftige Einbrüche sowohl beim Umsatz (-42 %) wie auch beim Gewinn (-86 %) melden. Tatsächlich war eigentlich dieses schwache Zahlenwerk erwartet worden. Freilich ergänzte die Unternehmensführung am Ende, dass sich auch im kommenden Quartal wenig an der Gewinnschwäche im Unternehmen ändern wird. Als diese Nachricht über die Ticker lief, kippte die Aktie sofort nach unten ab und beendete den Freitagshandel mit einem Kursabschlag von rund 11 %.  

In der Folge gerieten nahezu alle Chip-Aktien unter spürbaren Verkaufsdruck. Hierzulande etwa sackte die Infineon-Aktie um 4,5 % ab, während in den USA die Aktie des Chip-Designers AMD 2,5 % abgab.   

Übernahmeschlacht um Osram eskaliert – Es wird kniffelig für Sie als Aktionär 

Bisher war der Sachverhalt ja recht überschaubar. Da boten die zwei US-Investoren Bain und Carlyle für eine Osram-Aktie 35 Euro. Der Halbleiter-Spezialist AMS aus der Steiermark hingegen bot den Aktionären 38,50 Euro pro Osram-Anteilsschein. Da fällt die Entscheidung nicht schwer, oder? 

Am vergangenen Freitag hat AMS das eigene Angebot nochmals von 38,50 auf 41 Euro je Aktie angehoben. Warum das denn?  

Mittlerweile ist durchgesickert, dass Bain und Carlyle den US-Investor Advent ins Boot nehmen werden, um das eigene Angebot von lediglich 35 Euro nochmals substanziell aufzustocken. Und jetzt wird es plötzlich für die Osram-Aktionäre kniffelig, da das Angebot der Amerikaner zur Stunde eben noch nicht bekannt ist. Allerdings müssen die Osram-Aktionäre das AMS-Angebot bis morgen annehmen, oder es wird hinfällig. Außerdem müssen den Österreichern mindestens 62,5 % aller Osram-Aktien angedient werden. Andernfalls kommt die Übernahme nicht zustande 

Wer auf Nummer sicher gehen will, verkauft seine Osram-Aktien über die Börse. Dort werden Sie sehr wahrscheinlich ungefähr die von AMS gebotenen 41 Euro pro Aktie erlösen. Dienen Sie Ihre Stücke hingegen AMS an, tragen Sie ein gewisses Restrisiko. Wird nämlich die Mindestannahmeschwelle von 62,5 % nicht erreicht, bleiben Sie auf Ihren angedienten Papieren sitzen.  

Oder: Sie reizen Ihr Blatt noch etwas aus und verkaufen nur die Hälfte Ihres Bestandes und setzen darauf, dass die US-Investoren am Ende das AMS-Angebot nochmals leicht überbieten werden. Auch eine interessante Variante!