Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

wahrscheinlich kennen Sie die Geschichte von Robin Hood, dem Helden aus dem Mittelalter, der habgierige Geistliche und Adelige ausraubt und die Beute an die Armen verteilt. Obwohl es viele Legenden um den Mann aus dem Sherwood Forest gibt, ist sein Tun historisch nicht belegt. In den frühen Erzählungen aus dem 13. Jahrhundert fehlt zudem die altruistische Komponente der Erzählung. Robin Hood wurde zu Beginn als Bösewicht und einfacher Wegelagerer dargestellt und erst viele Jahre später zum Helden stilisiert.

Sie fragen sich vielleicht, was das alles mit der Börse zu tun hat. Das erkläre ich Ihnen gerne. Es gibt in den USA einen Broker mit dem Namen Robinhood, der sein Tun auf die alte Legende bezieht. Die Gründer haben es sich zum Ziel gesetzt, den Finanzmarkt zu demokratisieren. Bei Robinhood handelt es sich um einen Anbieter, der von seinen Nutzern keinerlei Orderprovisionen verlangt. Anleger können Aktien, Fonds, Kryptowährungen und Optionen kostenlos über ihr Smartphone handeln.

Ganz so wohltätig ist das Unternehmen dann aber doch nicht. Irgendwie muss jedes Unternehmen Geld verdienen. Robinhood tut das, indem die Daten der Nutzer an sogenannte Market Maker verkauft werden. Dafür kassiert Robinhood für jede Transaktion seiner Nutzer eine Provision.

Um Geld zu verdienen, müssen die Kunden des Unternehmens also möglichst viel handeln. Kritiker sehen in Robinhood deshalb eine Art Glücksspielanbieter für den Aktienmarkt. In der App wird der Aktienhandel einfach und spielerisch dargestellt und soll die Nutzer zu immer neuen Käufen und Verkäufen verleiten. Modernste Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie werden angewendet, um die Nutzer zum häufigen Umschichten zu bewegen.

Das klingt zunächst nicht schlecht, da die Nutzer selbst für den Handel nichts an Robinhood bezahlen müssen. Doch die Kosten lauern im Verborgenen. Denn um eine Provision an Robinhood zu zahlen, ist der Spread, also der Unterschied zwischen Ankaufs- und Verkaufskurs eines Wertpapiers, bei den von Robinhood angebotenen Handelsplätzen stets etwas höher als an anderen Börsen. Wer für große Summen handelt, kann hier mit der Zeit leicht mehrere hundert Euro bzw. Dollar verlieren.

Das Unternehmen hat im Juli dieses Jahres sogar selbst den Sprung aufs Börsenparkett gewagt. Der Börsengang war zunächst allerdings ein Fiasko. Der Ausgabepreis der Aktien lag bei 38 Dollar und damit am unteren Ende der vorher angepeilten Preisspanne. Gleich am ersten Handelstag sank die Aktie um 10%.

Doch dann kamen die Fans der App ins Spiel. In verschiedenen Foren wurde aggressiv Werbung für das Unternehmen gemacht. Kleinanleger trieben die Aktie daraufhin auf einen Höchststand von 84,98 Dollar. Der Boom währte nur kurz. Heute steht die Aktie wieder bei 45 Dollar.

Reich geworden sind also nicht die Kleinanleger, sondern vor allem die Gründer des Unternehmens. Durch den Börsengang haben beide jetzt ein Vermögen von rund 2 Milliarden Dollar angehäuft, obwohl sie jeweils nur rund 8% am Unternehmen halten. Sie haben ihre Geschichte vom Helden, der den etablierten Finanzmärkten das Fürchten lehrt, erfolgreich versilbert.