Liebe Börsianerinnen, liebe Börsianer,

ist das jetzt wirklich in diesem Moment nötig? Als Börsianer kämpfen wir schon mit Inflation, Zinswende und Gaskrise. Und bei Euch sind die Staatsschulden 2020 in der Pandemie explodiert und Euer Haushalt ist auch noch nicht unter Dach und Fach. Und genau jetzt schickt Ihr Euren sogar in Deutschland respektierten Finanzfachmann und Premier Mario Draghi in die Wüste. Im September oder Oktober werdet Ihr dann eine neue Koalition aus diversen originellen Parteien ins Amt wählen.

Dabei habt Ihr es lange wirklich nicht schlecht gemacht und als drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone einen guten Beitrag zur Gesundung Europas nach der Finanzkrise geleistet. Als braver Deutscher leide ich mit Euch, ohne Euch jemals zu verstehen.

Jetzt an alle: In Italien ist heute der 10-Jahreszins für Staatsanleihen auf rund 3,6 % gestiegen. Dieses Zinsniveau ist isoliert für sich betrachtet völlig harmlos. Aber in diesen Tagen läuft das Anleihenkaufprogramm der EZB aus. Nun fragen sich viele Investoren – auch gerade im angelsächsischen Raum –, wie wird sich Südeuropa unter den neuen geldpolitischen Realitäten schlagen. Droht uns eine neue Finanz- und Eurokrise? Kommt der Euro, der schon seit vielen Monaten im internationalen Devisenhandel ziemlich weich tendiert, wieder in eine Art Existenzdiskussion?

Zunächst die Fakten: Deutschland macht wie üblich den Streber und refinanziert sich zur Zeit zu etwa 1,3 % auf 10 Jahre. Das ist der Top-Zins. Das ist der Maßstab. Die gute Nachricht: Ein breites Mittelfeld aus Ländern wie Niederlande, Österreich, Finnland und mit kleinen Abstrichen auch Frankreich ist nahe an dieser Benchmark und kann sich aktuell uneingeschränkt auch ohne die EZB am Rentenmarkt refinanzieren.

Tapfer halten sich auch die Spanier und die Portugiesen, die aktuell rund 2,5 % für die 10-jährige Staatsanleihen zu bieten haben. Unsere Sorgenkinder sind eben Italien und Griechenland.

Denen will nun die EZB mit einem sog. Antifragmentierungsinstrument beispringen. Einfacher formuliert: Die EZB sucht nach einem Weg, wie man Italien und Griechenland punktuell unter die Arme greifen kann, um die Ausweitung der Zinsschere in der Euro-Zone einzudämmen.

Unterstellen wir einmal, dass eine solche Maßnahme rechtlich zulässig ist! Auch dieses Anti-Instrument wird einen allgemeinen Zinsanstieg für alle Euro-Mitglieder nicht verhindern. Schließlich ist genau das der Plan einer gestrafften Geldpolitik. So hat, wie Sie wahrscheinlich bereits wissen, die EZB gestern den Leitzins um einen halben Prozentpunkt angehoben.

Lange Rede kurzer Sinn: Noch sehe ich keine konkrete Gefahr für den Euro. Trotzdem tun wir alle gut daran, in dieser Frage nochmals in Bad-Case-Szenarien zu denken. Es gibt Anzeichen für eine neue Euro-Schuldenkrise. Ich habe zudem die Sorge, dass am Ende auch die Spanier und die Portugiesen wieder in den tödlichen Strudel gezogen werden, obwohl sie in den vergangenen Jahren haushaltspolitisch solide gearbeitet haben.

Dabei gilt: Portugal und Griechenland werden nie über das Schicksal des Euro oder der Euro-Zone entscheiden. Spanien und Italien sind allerdings von anderem Kaliber. Wenn die kippen, kann es existenziell werden. Wir dürfen nicht naiv sein, eine zweite Euro-Rettung ist uns nicht automatisch garantiert, nur weil die erste funktioniert hat.

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